Heute Nachmittag schwitzte ich in einer Rotlichtkabine vor mich hin und las dabei exakt 40 Minuten lang in einem Buch: "Verwehte Träume" von Betty Smith. Der letzte Satz im letzten Kapitel, das ich las, lautete: "Er verschlief [im Kino] den aufregendsten Teil von 'Geburt einer Nation'." Bizarr. Das Seltsame daran ist, dass ich genau diesen Film vorige Woche zum ersten Mal gesehen habe. Es ist ein Stummfilm aus dem Jahr 1915, in dem auch dieser Roman spielt.
Der Film ist übrigens nicht für Leute unter 18 geeignet. Voraussetzung für die richtige Rezeption dieses Machwerks ist eine stabile politische Gesinnung. Der Film macht sich nämlich der Geschichtsverzerrung schuldig und ist stark manipulativ.
"Ich war im Sarkophag von Tschernobyl - Der Bericht des Überlebenden" von Anatoly N. Tkachuk ist ein beeindruckendes Dokument über die Aufräumarbeiten bei Tschernobyl. Diejenigen, die immer noch behaupten, die schädliche Auswirkungen von Radioaktivität auf die Gesundheit seien nicht eindeutig nachgewiesen, soll bitte dieses Buch lesen. Ich habe sowieso noch nie verstanden, warum unsere Regierung nach Hiroshima, Nagasaki, Harrisburg und Tschernobyl noch ein Fukushima brauchte, um zu kapieren, dass Radioaktivität gefährlich ist.
Vom Schreibstil her ist das Buch eher gewöhnungsbedürftig und auch etwas sehr manipulativ. Aber die Fakten und Fotos sprechen für sich. Ich bin jetzt noch viel mehr voller Ehrfurcht vor den Menschen, die nach den Katastrophen von Tschernobyl und Fukushima in die Strahlenhölle gegangen sind, um den Schaden zu begrenzen.
Aaaah, noch besser: Manche Leute halten ihre Kurse ganz ohne Kursunterlagen. Dadurch zwingen sie die Studenten selbst zu nachtschlafender Zeit in den Seminarraum. Wer nicht da ist und mitschreibt, weiß hinterher nicht, was dran war und was er für die Prüfung lernen muss. Super Trick. Aber gerade diese Ich-schüttel-eine-Vorlesung-aus-dem-Ärmel-Dozenten glauben oft, sie seien besonders gute Dozenten. Schließlich sind immer alle Teilnehmer da.
Dabei ist für Studenten ja der Unterhaltungswert der Vorlesung noch der kleinste Grund, sich stundenlang da rein zu setzen. So ulkig kann eine Vorlesung ja gar nicht sein, dass man nur wegen dem Amusement dort erscheint. Die Studenten stehen unter Druck, ihre Zeit effizient zu nutzen. Gibt es gute Kursunterlagen, in denen alle drin steht, dann können sie sich die Vorlesung schenken oder nur gelegentlich vorbei sehen. So habe ich es seinerzeits auch gemacht, da sich ja dank schlechter Stundenplan-Koordination zwischen Fachbereichen und Doppelstudium regelmäßig Lehrveranstaltungen zeitlich überschnitten.
Tja, so ist das. Allerdings bekomme ich hinterher dann doch positives Feedback, dass man nach meinem Kurs genau weiß, was man auf die Prüfung zu lernen hat und in welcher Form es abgeprüft wird. Statt weltanschauliche Vorträge und selbstdarstellerische Plauderstunden abzuhalten, bereite ich gezielt auf die Prüfung vor. Meine "philosophischen Abschweifungen" halten sich dabei in Grenzen und dienen nur der Auflockerung, wenn ich merke, die Stirnen runzeln sich vor Anstrengung.
Allmählich denke ich, mit mir stimmt etwas nicht. Immer wenn ich mich mit anderen Dozenten und Trainern unterhalte, habe ich den Eindruck, dass ich die Einzige bin, die ihre Kursunterlagen selbst erstellt. Andere verwenden einfach die Unterlagen von anderen Leuten. Kann man doch kostenlos aus dem Internet runterladen und dann nur das Logo austauschen. Uarg! Ich weiß, warum ich Kursunterlagen niemals online stelle und am liebsten nur gedruckt herausgebe. Trotzdem bin ich ziemlich sicher, dass ein paar Leute meine Unterlagen bereits in ihren Kursen verwenden. Natürlich ohne mich zu fragen oder mir gar Lizenzgebühren dafür zu bezahlen. Warum sollte man das geistige Eigentum anderer achten?? Oder andere für ihre Arbeit bezahlen? Diebstahl ist total einfach, also wird's gemacht.
Für andere Leute bedeutet "Kursvorbereitung" einfach, dass sie sich die Unterlagen kurz ansehen. Und ich Trottel erstelle nicht nur Aufgaben, sondern auch Musterlösungen. Vortragsfolien sind schön mit Animationen, und ich mache mir Gedanken über Interaktion und Didaktik, Länge der einzelnen Lerneinheiten und so weiter. Ja, ich weiß, das haben die Leute, deren Unterlagen gestohlen wurden, auch getan. Darum funktioniert es ja. Man stiehlt einfach die besten Unterlagen, die man kriegen kann, und erzählt dann frisch von der Leber weg, was einem dazu einfällt. Das wirkt vermutlich sogar cooler und kompetenter als wenn jemand sich vorher schon total viele Gedanken macht. Zum Beispiel halte ich gerade einen Kurs, den hat mein Vorgänger mit 90 Folien gehalten und vier Übungen. 6 Abende à 4 Stunden. Hallo? Bei mir sind das 210 Folien und 10 Übungen. Hat der die ganze Zeit nur fröhlich geplaudert?
Frau Doktor war mal wieder auf Konferenzreise. Und wie meistens habe ich mich nicht im offiziellen Konferenzhotel eingebucht, obwohl es dieses 4-Sterne-Hotel zu einem ziemlich schicken Preis gab - einschließlich Sauna, Schwimmbad und Co. Aber welcher Dienstreisende braucht sowas, wenn er nur zwischen 18 und 19 Uhr kurz die Koffer abwirft, danach bis in die Puppen mit den anderen Konferenzlern Bierbrauereien besichtigt, und am nächsten Morgen um 8 oder 9 Uhr schon wieder gepackt, geduscht und sprachbegabt im Seminarraum erwartet wird? Zumal ich am Freitagmorgen den allerersten Vortrag hielt. Also suchte ich ein 3-Sterne-Hotel für 25€ weniger. Ohne Sauna. Ich stieg eine Haltestelle nach Hauptbahnhof aus, befand mich aber gleich auf einem ganz anderen Planeten. Zuerst ging es durch ein Wohngebiet, dann an einer Hauptverkehrsstraße vorbei wieder durch dasselbe Wohngebiet ins Dönerbudenviertel.
Witzig war die Wegbeschreibung, die die Bahn mir ausgegegeben hatte. Sonst eigentlich immer richtig, passten dieses Mal Bild und Text nicht zusammen. Es musste also mindestens eines von beiden falsch sein! Zunächst war der Stadtplan prima: Alles sah genau so aus wie gedruckt. Bis ich mich plötzlich in der U-Straße statt der W-Straße befand. Laut Text war dies aber genau richtig. Da kam noch eine Ecke mehr. Ich bog also drei Mal rechts ab. Normalerweise - also, wenn ich in Geometrie gut aufgepasst habe - müsste man, wenn man drei Mal rechts abbiegt und jeweils 300 Meter geht, wieder am Ausgangspunkt ankommen. Aber die Erde ist ja eine Kugel, und deshalb stimmen Landschaft und Logik oft nicht überein. Nach drei Mal Rechtsabbiegen gelangte ich in eine namenlose Straße, die nur die M-Straße sein konnte. Haus Nummer 70 war gesucht. 66, 68, 70. Ich stand nun vor einem Privathaus mit lauter Privatnamen an den Türen. Hm? Ich fragte mich, welche Garantie ich tatsächlich habe, dass dieses Hotel existiert und meine Zahlung nicht auf einem Konto in Ghana gelandet ist. Habe ich eine? Ich fragte eine Passantin nach der M-Straße, und es stellte sich heraus, dass ich noch ein letztes Mal rechts abbiegen musste. Das war zwar nicht mehr konsistent mit meinen beiden Plänen, aber meine letzte Hoffnung. Zwischen Dönerbude und Internetcafé befand sich dann auch tatsächlich das gesuchte Hotel, das mich schon freundlich erwartete. Schööön!
Oh, das tut weh! Bin mal wieder diskriminiert worden! Nachdem ich mich beruhigt und eine Tasse Tee getrunken habe, werde ich mal ganz freundlich nachfragen, ob das so sein müsse. Es ist so, dass ich seit ein paar Monaten mit drei Herren virtuell übers Internet an einem Projekt arbeite. Nun sind wir auf eine neue Plattform gewandert, die einer angelegt hat. Wir anderen drei haben uns nun dort angemeldet. Eben erhalte ich eine E-Mail, dass die anderen beiden Herren Administratorrechte erhalten haben, damit sie Änderungen vornehmen können. Hallo? Hallo? Gibt es einen sachlichen oder sonstigen Grund, warum ich als Einzige keine Administratorrechte bekomme? Weil Mädchen keine Verantwortung übernehmen wollen? Weil Mädchen sowieso alles kaputt machen? Weil ich inkompetenter wirke als die anderen? Weil mein Status niedriger ist? (Ist er nicht, aber davon gehen die Leute grundsätzlich immer aus. Frauen sind in der Wissenschaft nur als Doktorandinnen tätig. Andere gibt's nicht.) *schnaub, knurr, Feuer spei*
Ich glaubte ja früher wirklich den Scheiß, dass es an mir persönlich liege. Ich bin zu schüchtern, ich rede zu leise, ich bin nicht selbstbewusst genug, blabla. Aber seitdem ich viel über das Internet mit Leuten zusammenarbeite, passiert mir das alles genauso. Dabei kennen die mein blödes Gesicht und meine angeblich so unsichere Stimme gar nicht. Im Gegenteil attestiert man mir oft genug eine ziemlich laute Schreibe. OK, dann werde ich mal Administratorrechte beantragen. Das darf ich einfach nicht akzeptieren, dass man mich niedriger einstuft als alle anderen im Team. Wehre den Anfängen!
Früher dachte ich, dass es sich nicht lohne, um Kleinigkeiten zu kämpfen. Stimmt. Um Kleinigkeiten braucht man nicht zu kämpfen. Um die muss man nur freundlich ansuchen. Da sieht noch keiner einen wirklichen Grund, mir die Kleinigkeit zu verweigern. Aber wenn ich im Kleinen schon Nachteile akzeptiere, dann signalisiere ich ihnen, dass es für mich OK ist, ganz unten zu stehen. Dann wundern sie sich zu Recht, wenn ich eines Tages um große Sachen kämpfe.
Kursvorbereitung ist wie Kochen: Für eine Mahlzeit von 20 Minuten bereitet man sich stundenlang vor. Und dann ist es so schnell aufgegessen. Momentan fressen mir die Studenten und Kursteilnehmer buchstäblich die Haare vom Kopf. Grundsätzlich kann man dasselbe Kursmaterial mehreren Gruppen vorsetzen, aber momentan sind doch neue Themen nötig und auch größere Umfänge. Mit einem Thema, das bisher nur eine einzige 30-Minuten-Übung war, soll ich nun zwei Abende à 4 Stunden bestreiten. Da fängt man mit den Recherchen doch nochmal von vorne an! Gerade koche ich schon für zwei Wochen vor, weil ich nächste Woche von einem Festgelage zum nächsten reise...
Hilfe, fühlt sich das seltsam an, wenn man plötzlich keine Widerstände mehr spürt. Momentan geht alles so gruselig glatt. Werde ich verarscht? Haben die sich abgesprochen? Eigentlich egal. Ich genieße es, so lange es geht. :-)
Entweder gibt es doch Sterne oder mein Modell von den Jahreszeiten beschreibt das Leben gut.
Momentan scheine ich eine Glückssträhne zu haben. Alle wollen mich haben. Ich bekomme mehr Anfragen, Bestellungen und Co herein als ich beantworten kann. Die Bearbeitung wird auch noch hektisch. Kann also sein, dass die lieben Sterne momentan günstig herumeiern und in meinem ungelesenen Horoskop auch steht: "Neue Chancen tun sich auf."
Aber wenn man genau hinguckt, dann purzeln diese Erfolge nicht überraschend aus dem Sternenhimmel auf mich herab. Sie sind eher das Ergebnis von jahrelanger harter Arbeit. Ich beobachte in meinem Leben immer wieder Zyklen. Es gibt Zeiten, in denen säe ich Samen aus, von denen ich noch nicht weiß, welche davon aufgehen werden. Pessimisten zufolge ist sowieso alles umsonst, weil keine sofortige Wirkung eintritt. Im Gegenteil muss man die Samen ja auch noch hegen und pflegen, was einem auch wieder keiner bezahlt. Aber wenn dann ein erstaunlicher Anteil der Samen doch aufgeht, dann... Tja, dann fülle ich mir die Vorratskammer und die anderen gucken neidisch, legen gerne auch mal das Feuerzeug an.
Ergo: Ich fahre meine Ernte stillvergnügt ein und freue mich so vor mich hin. Die Erde zu bebauen ernährt eben doch die Welt.
Seltsam finde ich nur, dass es so phasenweise passiert. Es könnten ja auch die verschiedenen Handlungsstränge wie bei einer Seifenoper jeweils in verschiedenen Reifestadien befinden. Aber nein, da bricht einem plötzlich alles auf ein Mal weg und eisiger Winter tritt ein. Und dann gibt es Phasen mit nur Arbeit und ohne Lohn. Und dann reift alles gleichzeitig. Klar, nur in Phasen, wo ich keine Ernte einfahre, habe ich Zeit und Kraft und Bedarf an neuen Ideen. Nur da fange ich Neues an, ansonsten renne ich ja auf der Tenne im Kreis. Aber seltsam bleibt es trotzdem.
Momentan halten sich Freude und der Rest ziemlich gut die Waage. Springer deutet erneut an, wie gerne sie ein neues Fachbuch von mir wollen. Kunststück, habe für das vorige so eifrig Werbung gemacht, dass es weg ging wie heiße Semmeln. Nun muss ich es nur noch schreiben, uarg! Wann denn?
Dafür habe ich gerade festgestellt, dass die Studis, bei denen ich Kurs Nr. 2 halte, dieselben sind, denen ich schon Kurs Nr. 1 gab - im vorigen Winter. Das sind die Knilche, die ich immer den "Kindergarten" nannte. Schlimmste Gruppe ever. Uarg, man trifft sich immer zwei Mal. Die werden sich genauso freuen wie ich! Wie ich die inzwischen gelichtete Namensliste interpretiere, sind gewisse Störenfriede nicht mehr da. Kein Wunder. Wenn man mehr Energie dafür verwendet, die Dozentin beim Unterrichten zu stören, als etwas zu lernen, gelle? (Anmerkung: Nee, ich habe keinen rausgeprüft. Am Ende haben sie alle bestanden.)
Inzwischen habe ich mit anderen Dozenten gesprochen. Die kennen dasselbe Phänomen. Obwohl doch laut Forschung unsere Kultur Frontalunterricht hassen müsste, wird es eben doch im Kontext von Schulungen sehr geliebt. Für die Teilnehmer mit wenig Aufwand und Risiko verbunden, ist es einfach das gewohnte Lernsetting. Man sitzt seine Stunden ab und lernt in Ruhe zu Hause. Gemeinsames Wissenerarbeiten passt nämlich NICHT in die individualistische, konkurrierende Lernkultur Deutschlands. Beruhigend irgendwie. Aber frustrierend, weil ich mir diese für beide Seiten schmerzhaften Didaktikexperimente ja hätte sparen können. Aber letztlich praktisch. Ich komme mit vorbereiteten Folien, halte meinen Vortrag, werde rechtzeitig fertig und gehe wieder. Auch für mich ist das viel risikoloser und weniger anstrengend als wenn ich die immer wieder überraschenden Ergebnisse von Gruppenarbeit und Einzelarbeit instantan beurteilen muss und mir stundenlang die Vorträge der Studis anhören muss. Das strengt mich mehr an als selbst zu reden. Meine Folien kenne ich schon. Es lebe der Frontalunterricht!
Nach dem Wikileaks-Film nun der nächste Enthüllungsfilm mit einem Informatiker in der Hauptrolle:
CitizenFour über Edward Snowden. Endlich wieder gute Filme. Michael Moore hat ja leider frustriert das Handtuch geworfen.
Hier auch etwas Hintergrundgeschichte zum Film. Es lebe die Demokratie! Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit!
Hin und wieder ein kleiner Streik macht das Leben ja spannend und lustig. Ich habe schon wieder einige Anekdoten gesammelt für eine Anthologie "Abenteuer einer Zugreisenden" (die ich vielleicht mal schreiben werde). Aber allmählich ist es nicht mehr lustig.
Der nächste Streik kommt nämlich bestimmt, nur bleibt unklar, wann genau. Unter "rechtzeitiges Informieren" versteht die Gewerkschaft nämlich etwas anderes als ich. Zum Beispiel als ich am Streik-Sonntag zu einer Veranstaltung fahren wollte, hatte ich am Samstag recherchiert und festgestellt, dass jede dritte S-Bahn fährt. Stand alles online. Ich suchte mir eine aus und prüfte sicherheitshalber am Sonntagmorgen nochmal nach. Leider zu spät. Inzwischen waren alle S-Bahnen gestrichen worden und ich musste einen putzigen, gemütlichen Umweg mit U-Bahn und Bus fahren. Ergebnis: Ich kam anderthalb Stunden zu spät, was selbst bei einer Tagesveranstaltung nicht so richtig pünktlich ist. Dabei war ich rechtzeitig morgens aufgewacht und hätte auch früher los fahren können. Aber da man mich tags zuvor noch in Sicherheit gewiegt hatte, ich könne um 10 Uhr dort sein, hatte ich leider erst kurz vor Abfahrt die Lage nochmal geprüft.
Ich freue mich also gar nicht auf diesen nächsten Streik. Zumal ich als autofreie Handlungsreisende in Sachen Wissen leider auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen bin. Wenn ich kurz vor Abfahrt feststelle, dass der gestern noch zugesicherte Zug heute nun doch nicht fährt, ist es etwas spät, noch schnell eine Mitfahrgelegenheit oder einen Fernbus zu finden. Und wenn ich zu einer halbtägigen Schulung anderthalb Stunden zu spät komme, sollte ich sie besser gleich absagen und auf mein Honorar verzichten. Liebe GDL, ich wäre Dir aus existenzsichernden Gründen dankbar, wenn Du mir rechtzeitig zuverlässige Informationen geben würdest! Ich bin wirklich auf mein Einkommen angewiesen, und wenn der Kurs ausfällt, geht es nicht um 4,5% oder 5% Lohnerhöhung, sondern um alles oder nichts. Ich verliere dann nicht nur mein Honorar komplett, sondern der Kunde ist sauer, die Kursteilnehmer enttäuscht, weil sie ja umsonst anreisen.
Der Film "Die Friseuse" handelt von Kathi König, die tapfer versucht, sich als Friseuse selbständig zu machen. Dabei sind eine Menge Schwierigkeiten zu überwinden. Sie schreckt vor nichts zurück, findet Hilfe, findet Freunde, aber nicht nur Freunde. Wie es ausgeht, ist eigentlich egal.
Wichtig ist, man lässt sich nicht unterkriegen. Wer "Odette Toutlemonde" liebt, liebt auch Kathi König. Nur dass es hier nicht darum geht, wie Bücher das Leben schöner machen, sondern um Frisuren. In diesem Sinne: Lasst euch mal keine grauen Haare wachsen!
Aaah, mir ist inzwischen aufgegangen, warum die Studenten absichtlich gelogen haben. Sie wollen mich zielstrebig abschießen. Ihnen hat die Vorstellung gar nicht gefallen, dass ich ihre Prüfung erstelle und korrigiere. Wobei sie Pech haben, denn die habe ich schon längst eingereicht. Womit ich sie vermutlich gegen mich aufgebracht habe, war die Erwähnung, dass ich schon Leute bei der Hausarbeit durchfallen lassen habe, weil sie Texte aus dem Internet als ihre ausgegeben haben. Sorry, aber warum glauben die Leute, dass man ihnen mehrere ECTS-Punkte à 25 Stunden Arbeitszeit dafür gut schreibt, dass sie von der IHK-Webseite einen Artikel herunterladen, die Überschrift austauschen und das als angeblich ihr Hausarbeitsergebnis einreichen? Hat man ihnen das so auf der Schule beigebracht?? Ich verlange von ihnen, dass sie Literatur lesen und sich eine eigene Meinung bilden und einen eigenen Text schreiben. Einer der Studenten war irritiert von dieser Erwartung. Er erzählte, ein anderer Dozent habe ihnen gesagt, sie sollen nur sein Buch zitieren. Bei allen anderen Büchern wisse man ja nicht, ob sie richtig seien.
Nun kann es natürlich sein, dass die Studenten nächstes Jahr von meinem Anblick verschont bleiben. Kursevaluation schön und gut, aber wie sich das entwickelt hat, das gefällt mir gar nicht. Die Macht, die ich über die Studierenden habe, ist extrem begrenzt. Ich muss meine Prüfung und Musterlösungen zur Qualitätssicherung einreichen, alle Benotung und Punktabzüge transparent machen und mich zu Beschwerden in Bezug auf Noten schriftlich äußern. Ich musste mich auch schon schriftlich zu wirklich haarsträubenden Vorwürfen eines Studenten äußern, der eigentlich endgültig durch die Hausarbeit gefallen war. (Zuerst den Abgabetermin versäumt und dann ein Plagiat eingereicht.) Um seinen Härtefallantrag durchzubekommen und eine dritte Chance zu erhalten, und vermutlich auch, um mich als Prüferin abzuschießen, "musste" er ja die Schuld für sein Versagen auf mich schieben. Die nächste Hausarbeit war immer noch pannepeinlich, wo er größere Textteile aus der Literatur rüber kopiert hatte, ohne sie ausdrücklich als Zitat zu markieren. Immerhin hatte er die Quelle mal so pauschal angegeben. Um zu verhindern, dass er mich endgültig abschießt, habe ich ihn durchkommen lassen und nur "missverständliche Zitierung" bemängelt.
Selbst wenn ich es wollte, wäre es für mich extrem schwierig, einen Studenten endgültig abzuschießen. Solche Fälle werden von der Hochschulleitung gründlich geprüft.
Umgekehrt ist es für die Studierenden extrem einfach, mich abzuschießen. Sie brauchen einfach nur anonym in der Lehrevaluation die schlimmsten Dinge über mich schreiben und mir bei allen möglichen Bewertungspunkten eine 5 geben. Dann bin ich den Job los. In Unehren entlassen. Ich bin recht sicher, dass ich den Job schon längst verloren hätte, wenn es so einfach wäre, hoch qualifizierte Experten zu finden, die für so wenig Geld arbeiten.
Naja, wie dem auch sei. Gestern hatte ich in einem anderen Kurs die letzte Stunde, und die Studenten haben sich sehr positiv zu meinem Kurs geäußert. Dieser war eine ganz normale Vorlesung, pro Kurseinheit mit 30 Minuten Vorlesung und 15 Minuten Übung. Und da konnte mir dann keiner vorwerfen, ich sei stinkfaul oder inkompetent. Ich scheine also doch Recht damit zu haben, dass der gute alte Frontalunterricht am besten ankommt. Diese ganze pädagogische Zeugs von wegen "sich den Lernstoff selbst erarbeiten", das will doch keiner. Das ist vor allem anstrengend.
Ganz ohne Anleitung geht das sowieso nicht. Ich hatte neulich Kontakt zu einem Grüppchen Studierenden, die sich ihr Wissen ganz selbst erarbeiten, weil sie das universitäre Prinzip nicht mögen, dass der Dozent ihnen unterstellt, sie würden gar nichts lernen wollen, und ihre Arbeit wochenweise kontrolliert. Tja, aber leider muss man als Dozent genau so heran gehen. Die Studierenden tun immer nur genau so viel wie sie unbedingt müssen. Sie wollen ja gar kein Wissen erwerben, sondern nur ECTS-Punkte und ihren Abschluss. Wobei das tatsächlich Sinn macht, weil im Berufsleben sowieso keiner das Wissen anwendet, das er im Studium hätte lernen sollen. Da wird dann doch wieder gepfuscht. Wenn ich will, dass meine Studierenden auch nur annähernd was lernen, Methoden selbst mal anwenden und eventuell einen Hauch von Ahnung bekommen, dass diese Methoden nicht ganz unnütz sind, muss ich sie dazu zwingen. Wöchentliche Hausarbeiten, individuell korrigiert. Wo Fehler, da Punktabzug und Schein in Gefahr. Was umso lustiger für mich auch ist, als ich ja nur pro Kursstunde bezahlt werde und die Hausaufgabenkorrekturen unbezahlt mache. Damit senke ich meinen Stundensatz natürlich unter Putzfrauengehalt, so dass ich mich immer wieder frage, wozu ich mir das antue. Gute Lehre danken einem die Studierenden ja doch nicht. Die danken vor allem leichte Prüfungen.
Und dieses Grüppchen Studenten erarbeitet sich das Wissen selbst, haben aber auch schon bemerkt, dass es sehr aufwändig ist, dies ohne Unterstützung eines Experten zu tun. Ich fand es jedenfalls schön, dass sie echtes Interesse an meinem Vortrag hatten. Nicht wie oft die Studierenden, die sich meine Vorlesung nur unter dem Lernaspekt ansehen, à la "Müssen wir das bei der Prüfung auswendig wissen?" und "Das ist aber total viel Stoff!"