Samstag, 24. März 2018

Männer und Frauen

Neulich im Zug hörte ich ein Gespräch mit an, das verlief wie aus dem Lehrbuch über die asymmetrische Kommunikation zwischen Männern und Frauen. Ich hätte mich wegwerfen können.

Eine junge Frau und ein junger Mann steigen in den Zug ein, er hilft ihr den schweren Koffer nach oben zu heben und dann setzen sie sich an einen Vierertisch. Sie versucht zu arbeiten und er versucht gleichzeitig, ein Gespräch mit ihr zu führen. Männer ignorieren ja gerne die non-verbalen und verbalen Signale von Frauen. Im Gegenteil: Wenn eine Frau sich mit einem fremden Mann nicht näher unterhalten will (was durchaus passieren kann, aus verschiedenen Gründen), dann denkt der Mann trotzdem, dass sie es eigentlich wolle, aber eben zu schüchtern sei. Umso mehr verstärkt er seine Bemühungen, weil er ja kapiert hat, dass er das Gespräch wegen ihrer Schüchternheit im Wesentlichen allein führen muss. Dabei sind Frauen durchaus zu längeren und tiefergehenden Gesprächen in der Lage, wenn sie wollen.

Er fragt sie gleich mal, was sie beruflich mache (=Status abchecken). Als sich herausstellt, dass sie studiert, geht er ohne weitere Abstimmung vom "Sie" zum "Du" über. Sie nicht. Er erzählt, er sei Informatiker und sie erwidert, wie sich das für eine Frau in dieser Situation gehört: "Ich könnte das nicht. Das wäre mir zu schwierig." Das müssen Frauen immer sagen, wenn ein Mann von seinem Beruf oder einem Hobby erzählt. Das ist eine konventionelle Standardreaktion und gibt ihm das Gefühl, ihr überlegen zu sein, was unbedingt gewahrt werden muss.

Auf Nachfrage erklärt sie ihm, dass sie gerade versuche, eine Hausarbeit zu schreiben. Er lässt sie das aber nicht alleine machen, sondern lässt sich genau erklären, worum es da ginge, und versucht auch Lösungen vorzuschlagen, obwohl Tourismus nun wirklich nicht seine Branche ist. Sie ist darin ja eigentlich die Expertin, aber egal. Mann will ja nur helfen.

Er fragt nach, wie sie sich überhaupt die erste Klasse leisten könne. Vermutlich ist das eine versteckte Frage nach einem männlichen Sponsor - Ehemann oder reichen Liebhaber. Sie redet sich mit "frühzeitig gebucht kaum teurer als 2. Klasse" heraus und betont noch, dass sie mit der 1. Klasse fahre, weil man da so schön ungestört arbeiten könne. Ein Wink mit dem Zaunpfahl, der leider ebenfalls übersehen wird. Er versucht trotzdem zwei Stunden lang hartnäckig, ein Gespräch ins Laufen zu bringen. Bis sie dann irgendwann kapituliert und nicht weiter versucht, eine Hausarbeit zu schreiben. Das ist für ihn dann das endgültige Signal, dass sie für ein Gespräch bereit sei. Oh weh!

Total lustig irgendwie... Eben weil es so typisch ist und ausnahmeweise mal nicht ich diejenige war, die so vollgetextet wurde. Älter zu werden hat seine Vorteile! Ich konnte nämlich ungestört arbeiten, abgesehen von der karabettistischen Einlage am Nebentisch.

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