Sonntag, 23. Juli 2017

Schwank von der oberen Stufe einer Leiter

Kurz bevor meine Eltern auf eine mehrwöchige Kreuzfahrt aufbrachen, baten sie mich, während ihrer Abwesenheit ihre Leiter in Pflege zu nehmen. Sonst würde sie abends allein in die Disco gehen und käme mit irgendeinem betrunkenen Malerpinsel zurück. Eigentlich ist sie eine solide Aluminiumleiter und auch recht standfest, aber Alkohol verträgt sie leider schlecht und tut dann im Suff das eine oder andere, was eine anständige Leiter nicht tun sollte.

Ich nahm also die besagte Leiter in Empfang und fuhr mit ihr in der S-Bahn nach Hause. Die Leute fragten sich natürlich, warum eine junge Frau wie ich in Begleitung einer Leiter unterwegs sei, fragten jedoch nicht. Dabei hätte ich ihnen ganz ehrlich geantwortet, dass ich vor hatte, sie zu benutzen.

Zu Hause angekommen, freute ich mich über die Gelegenheit, mal bis in die 2,30 Meter hohen Ecken zu gelangen und dort verstaubte Spinnweben und tote Weberknechte einzusammeln. Auch eine Motte erwischte ich. Wenn man alle fünf Jahre mal seine Wohnung von oben betrachtet, entdeckt man Dinge, die einem sonst entgehen. Damit meine ich nicht die Sprünge in der Zimmerdecke. Die sind auch aus der Froschperspektive nicht zu übersehen. Nun sind die Türrahmen alle von oben abgefegt und ich kenne auch die Farbe der Oberseite meines Spiegelschranks. Dort duftet es nun nach Seife.

Grundsätzlich an alle Nachahmer: Als Single muss man beim Turnen auf einer Leiter stets beachten, dass man sich nur so schwer verletzen darf, dass man den Abtransport ins Krankenhaus noch selbst organisieren kann. Oder man sollte zumindest noch bis ins Treppenhaus kriechen können und um Hilfe winseln. Auch neulich beim Fensterputzen habe ich daran gedacht, wobei ein Sturz aus dem Fenster sowieso nicht in Frage kommt, weil der Aufprall draußen doch zu hart würde, um noch irgendetwas organisieren zu können.

Ich habe noch nicht in meinem Feng-Shui-Buch nachgesehen, was das Putzen in Zimmerecken oben und das Abwischen von Türrahmen bedeutet, aber vermutlich etwas Gutes. Putzen und sauber sind immer gut. Oben bedeutet Zukunft. Habe ich gerade meine Zukunft gereinigt? Bereinigt? Geebnet? Von Spinnweben befreit? Auf jeden Fall habe ich die Gefahr gesenkt, dass mir von oben etwas Totes auf den Kopf fällt.

Vor lebenden Spinnen schützt mich dieses Putzen nicht. Es ist schon ein paar Monate her, aber der Schabernack sitzt mir immer noch in den Knochen. Normalerweise lebe ich sehr friedlich mit meinen Spinnen in einer Wohngemeinschaft: Sie leben hinter den Blumentöpfen und Möbeln und ich lebe davor. Eines Tages - ich arbeitete gerade hochkonzentriert am Laptop - seilte sich aber eine der Spinnen von oben ab und drohte, auf meinem Handrücken zu landen. Ich wäre vermutlich genauso erschrocken, wenn ein Gänseblümchen so plötzlich von oben gekommen wäre, aber jedenfalls sprang ich mit einem Quieken davon, bevor ich überhaupt verstanden hatte, was passiert war. Die lieben Instinkte! Zum Glück stand ich da gerade nicht auf der Leiter!

Also, ich mag meine Spinnen. Fliegen finde ich viel nerviger, oder Motten oder Kakerlaken. Die Fliegen und Kakerlaken pendeln von der Clobrille zu meiner Zahnbürster und zu meinem Essen und wieder zurück, mit einem Abstecher zum Komposteimer. Ihre hygienischen Vorstellungen passen da gar nicht zu meinen und damit sind sie als Mitbewohner inakzeptabel. Schnaken wollen mein Blut und übertragen vielleicht tödliche Krankheiten, auch inakzeptabel. Motten fressen meine Kleidung auf. Geht gar nicht! Darum sind die Spinnen wertvolle Verbündete für die Sauberkeit in meiner Wohnung. Aber sie sollen sich bitte keine solchen Scherze mehr erlauben und mir auf den Handrücken hüpfen! Ich füge der Hausordnung schnell noch einen entsprechenden Eintrag hinzu... Wenn sie mir beim Fernsehen am Fuß vorbei huschen und ich ganz kurz einen Herzstillstand bekomme, das ist noch OK. Aber nicht auf den Handrücken!

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