Dienstag, 10. Januar 2012

Ich sag nicht, dass Du spinnst

"Ich sag nicht, dass du spinnst", sagte Landwehr und blickte besorgt auf Luisas bleiches Gesicht, das ihre schwarzen Augenringe und die geplatzte Lippe noch betonte. "Ich sag nicht mal, dass du überempfindlich bist und den normalen militärischen Umgangston zu persönlich nimmst."
"Danke", seufzte Luisa und führte ihre Tasse zum Mund, was etwas schmerzhaft wurde. Sie verzog das Gesicht. Sie beiden waren fast die einzigen, die um diese frühe Uhrzeit nach der Nachtschicht noch etwas im Casino tranken. Die anderen Nachtschichtler hatten sich schon schlafen gelegt.
"Leider", sagte Landwehr, "ist dieser Umgangsstil hier normal. Ich sage nicht, dass ich ihn gut finde. Aber es ist so Sitte."
"Den Boden einzuseifen?" Luisa hatte sich die Lippe aufgeschlagen, weil man an ihrem Arbeitsplatz den Boden so präpariert hatte, dass sie stürzen musste. Und sie war ungeschickt gefallen. Ihr Handgelenk war blau und nicht verbunden. Sie hatte es vermieden, schon wieder zu Dr. Song zu gehen mit ihren Verschwörungstheorien. Immer mal wieder passierten ihr solche Unfälle.
"Unter anderem. Sie testen dich. Was du nun tun musst, wäre dich zu revanchieren."
"Ich soll dafür sorgen, dass sie sich wehtun?" fragte sie entsetzt. "Aber das wäre gegen jeden Anstand und gegen die Dienstvorschrift."
Landwehr zuckte die Schultern.
"Ihre heilige Dienstvorschrift?" staunte Luisa. "Sie erinnern sich, dass..."
"Dieses Gespräch", schmunzelte er, "ist rein privat und hat natürlich niemals stattgefunden, falls mich jemand fragt. Oder dich."
Luisa murmelte: "Ich habe schonmal... nur ein Mal... und der andere hat sich sehr weh getan... Ich fühle mich heute noch schlecht dabei."
"Ist er dran gestorben?"
"Nein, aber er hat eine Narbe am Kinn."
Landwehr lachte. "Also keiner hier an Bord."
"Nein, früher. Ich hab mich schrecklich mies gefühlt."
"Du musst dich entscheiden. Wenn du Funker bleiben willst, musste du mit den Funker-Wölfen heulen."
"Fachbegriffe reichen wohl nicht?"
"Nee. Entscheid dich."


Zwei Tage später sah man Erwin mit eingegipstem Arm und Bluterguss auf der Stirn herumhumpeln. Der Arbeitsunfall war untersucht worden, aber die Untersuchung ergab kein Fremdverschulden. Er musste wohl selbst vergessen haben, den Feststellhebel zu fixieren, an dem er sich die Stirn geschlagen hatte.
Genauso wie Luisa ihre verschüttete Milch für ihren Ausrutscher als Unfallursache angegeben hatte.
Im Jahresmittel ergab sich auf der Funkstation aber keine erhöhte Unfallgefahr. Stürze kamen auf einem Schiff immer mal wieder vor.

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