Mittwoch, 17.02.2010
Dieses Wochenende war es also wieder so weit: ein Schreibkurs!
Sonst besuche ich jedes Jahr eine solche Veranstaltung, 2009 war dazu aber doch zu stürmisch.
Trotz des Arbeitens und Durch-die-Mangel-gedreht-Werdens empfinde ich ein Schreibwochenende immer als Miniurlaub. Endlich mal nur auf Literatur konzentrieren, ganz weg sein und mit Meinesgleichen treffen! Dieses Mal genoss ich es auch, nicht diejenige zu sein, die vorne steht und die Action liefern muss. *grins*
Es ging um Bücherkritiken. Ich habe mich natürlich wie stets in die Nesseln gesetzt, denn ernste Nicht-Genre-Literatur ist gar nicht mein Ding und mir entgehen daher die qualitativen Nuancen zwischen den Büchern über frustrierte, depressive und gewaltätige Menschen, denen es an Mitgefühl, Perspektiven und Zielen fehlt und die irgendwie vor sich hinwurschteln. Wie meine beste Freundin solche Werke immer kommentiert: "Nä, sowas hab ich schon im echten Leben genug!" Eben. Also fiel mein Verriss, den ich vorab geschrieben hatte, allein schon darum aus dem Rahmen, weil ich es wagte, einen Preisträger nicht zu verstehen. Und dann auch noch ohne Argumente. Ähm, je, nu, bei näherer Diskussion kamen wir darauf, dass ich ernsthafte Literatur an den Maßstäben der Genreliteratur gemessen hatte. Gut, das erklärt mein "Thema verfehlt". Umgekehrt fand Sigrid Löffler - unsere Lehrmeisterin - dass man über Trivialliteratur immer nur dasselbe schreiben könne, weil sie alle dieselben Fehler haben. Leider kam ich nicht mehr dazu, dies mit ihr auszudiskutieren. Wenn man sich in einem Genre bewegt, dann erkennt man die Unterschiede zwischen guter Trivialliteratur und schlechter. Man muss sie nur an den Kriterien messen, welche sie zu erfüllen sucht. Manchen gelingt es, andere unterhalten nicht einmal, sondern sind noch trivialer als trivial. Ich bilde mir ein, sogar sinnvolle Rezensionen zu Cora-Romanen schreiben zu können. Eher als zu einem Literaturpreisträger. (Nichts gegen Cora, manchmal mag ich sie. Manchmal mag ich auch heiße Milch mit Honig, was ich normalerweise zu süß finde.)
Faszinierend fand ich auch wieder diesen krassen Unterschied des Kommunikationsstils zwischen Schriftstellern und Informatikern. Das ist mit einer der Gründe, warum ich mich in der Literfatur so wohl fühle. Ich mache ja auch gerne Musik, zeichne, singe, tanze. Neulich habe ich sogar modelliert. (Kann passieren!) Die Schriftsteller liegen mir menschlich am meisten - ruhiger als Schauspieler, aber kooperativer als bildende Künstler. Als ich neulich "Avatar" im Kino sah, fiel mir wieder auf, wie militärisch-brutal der Kommunikationsstil in der Informatik tatsächlich ist, wohl aus historischen Gründen. Es beginnt bei der Wortwahl. Informatiker schießen Agenten ab, nennen ihr Arbeitsergebnis
ihr "Baby", kennen demilitarisierte Zonen und marktstrategisch ist sowieso die Vernichtung des Feindes ("Plattmachen") das Ziel.
Man arbeitet streng hierarchisch und überhaupt organisiert, berichtet regelmäßig von unten nach oben. Mit Zwang bringt man das Fußvolk unter Kontrolle, als Vorgesetzter muss man dauernd "platzhirschen", mit verbalem Ellenbogen seinen Platz am Ende des Tisches verteidigen und seine Redezeit, das Recht, die Sitzung zu beginnen und zu beenden, genauso wie Mahlzeiten und Mittagspausen. Jahrelang habe ich hart daran gearbeitet, diese Männerspielchen sauber und konsequent zu spielen. Der Wille dazu genügt, aber man darf keinen Augenblick den Posten verlassen, sonst gerät die Befehlshierarchie aus den Fugen. Ich habe gelernt, mich klar auszudrücken. Eine Anweisung wie eine Anweisung, keinesfalls als Bitte oder Vorschlag. Klare Formulierungen, die Hauptaussage im ersten Satz - man weiß nie, ob man noch zu einem zweiten kommt. Schießt der Dialogfeind zurück, muss man verbal in Deckung gehen und sich auf das Feuergefecht einlassen, der ursprüngliche Anlass des Gesprächs hat sich kurzfristig erledigt, denn Machtspielchen haben immer Vorrang.
Natürlich sind Schriftsteller nicht alle lieb und nett zueinander, aber immerhin schießen sie höflich aufeinander. (Mit Wattebällchen.) Sie sind fähig, Kritik konstruktiv und zivilisiert zu formulieren. Auch jemanden ausreden zu lassen ist eine schöne Sitte, sogar wenn er sich den Raum nimmt, drei und mehr Sätze zu sagen. (Ich habe mitgezählt!) Ich vermute, in der Diskussion über Literatur braucht es mehr als einen Satz, weil die Aussagen komplexer sind. In der Informatik genügt ein "This whole text is complete bullshit!" oder "Das versteht sowieso kein Mensch" - zumindest in der Hierarchie von oben nach unten. Als ich behauptete, ich würde ja noch leben, scherzte ich nur. Bei Sigrid Löffler bin ich jetzt unten durch, weil ich mich auf dieses kunstvoll geschriebene Buch nicht einlassen wollte. Ich habe ja zugegeben, dass ich es gut gemacht finde. Es IST rund und stimmig und verursacht die Gefühle, die es verursachen möchte. Aber ich mag es trotzdem nicht. Das nächste Mal, wenn ich einen Preisträger zerreiße, gebe ich mir wieder mehr Mühe mit der Begründung. :-)
Ich überlege immer noch, ob die Literaturkritik wirklich so dermaßen unwichtig und am Absterben ist, wie S. Löffler behauptet. Wird diese Kunst durch das "Laiengeschwätz im Internet" wirklich abgelöst oder nur ergänzt? Als Leserin informiere ich mich tatsächlich bei Amazon und in Bücherforen darüber, wie andere Leser ein Buch gefunden haben. In der Summe ergibt sich stets ein treffendes Bild. Aber für mich als die Autorin eines Buchs wiegt eine Rezension durch einen Profi anders als wenn Lieschen Müller schreibt "Voll spannend - hab es in einem Rutsch in einer Nacht durchgelesen!" oder auch "Ich hab´s nicht kapiert und kann die Heldin nicht leiden". Mit meinem Roman anderen schlaflose Nächte zu bereiten war natürlich das Ziel. Aber der Verriss durch einen Profi würde mir noch deutlicher in den Schweinehund treten. Die Einzigen, die einen Autor zum ordentlichen Schreiben erziehen, sind sein Verleger/ Lektor und die Kritiker da draußen.
Sonst besuche ich jedes Jahr eine solche Veranstaltung, 2009 war dazu aber doch zu stürmisch.
Trotz des Arbeitens und Durch-die-Mangel-gedreht-Werdens empfinde ich ein Schreibwochenende immer als Miniurlaub. Endlich mal nur auf Literatur konzentrieren, ganz weg sein und mit Meinesgleichen treffen! Dieses Mal genoss ich es auch, nicht diejenige zu sein, die vorne steht und die Action liefern muss. *grins*
Es ging um Bücherkritiken. Ich habe mich natürlich wie stets in die Nesseln gesetzt, denn ernste Nicht-Genre-Literatur ist gar nicht mein Ding und mir entgehen daher die qualitativen Nuancen zwischen den Büchern über frustrierte, depressive und gewaltätige Menschen, denen es an Mitgefühl, Perspektiven und Zielen fehlt und die irgendwie vor sich hinwurschteln. Wie meine beste Freundin solche Werke immer kommentiert: "Nä, sowas hab ich schon im echten Leben genug!" Eben. Also fiel mein Verriss, den ich vorab geschrieben hatte, allein schon darum aus dem Rahmen, weil ich es wagte, einen Preisträger nicht zu verstehen. Und dann auch noch ohne Argumente. Ähm, je, nu, bei näherer Diskussion kamen wir darauf, dass ich ernsthafte Literatur an den Maßstäben der Genreliteratur gemessen hatte. Gut, das erklärt mein "Thema verfehlt". Umgekehrt fand Sigrid Löffler - unsere Lehrmeisterin - dass man über Trivialliteratur immer nur dasselbe schreiben könne, weil sie alle dieselben Fehler haben. Leider kam ich nicht mehr dazu, dies mit ihr auszudiskutieren. Wenn man sich in einem Genre bewegt, dann erkennt man die Unterschiede zwischen guter Trivialliteratur und schlechter. Man muss sie nur an den Kriterien messen, welche sie zu erfüllen sucht. Manchen gelingt es, andere unterhalten nicht einmal, sondern sind noch trivialer als trivial. Ich bilde mir ein, sogar sinnvolle Rezensionen zu Cora-Romanen schreiben zu können. Eher als zu einem Literaturpreisträger. (Nichts gegen Cora, manchmal mag ich sie. Manchmal mag ich auch heiße Milch mit Honig, was ich normalerweise zu süß finde.)
Faszinierend fand ich auch wieder diesen krassen Unterschied des Kommunikationsstils zwischen Schriftstellern und Informatikern. Das ist mit einer der Gründe, warum ich mich in der Literfatur so wohl fühle. Ich mache ja auch gerne Musik, zeichne, singe, tanze. Neulich habe ich sogar modelliert. (Kann passieren!) Die Schriftsteller liegen mir menschlich am meisten - ruhiger als Schauspieler, aber kooperativer als bildende Künstler. Als ich neulich "Avatar" im Kino sah, fiel mir wieder auf, wie militärisch-brutal der Kommunikationsstil in der Informatik tatsächlich ist, wohl aus historischen Gründen. Es beginnt bei der Wortwahl. Informatiker schießen Agenten ab, nennen ihr Arbeitsergebnis
ihr "Baby", kennen demilitarisierte Zonen und marktstrategisch ist sowieso die Vernichtung des Feindes ("Plattmachen") das Ziel.
Man arbeitet streng hierarchisch und überhaupt organisiert, berichtet regelmäßig von unten nach oben. Mit Zwang bringt man das Fußvolk unter Kontrolle, als Vorgesetzter muss man dauernd "platzhirschen", mit verbalem Ellenbogen seinen Platz am Ende des Tisches verteidigen und seine Redezeit, das Recht, die Sitzung zu beginnen und zu beenden, genauso wie Mahlzeiten und Mittagspausen. Jahrelang habe ich hart daran gearbeitet, diese Männerspielchen sauber und konsequent zu spielen. Der Wille dazu genügt, aber man darf keinen Augenblick den Posten verlassen, sonst gerät die Befehlshierarchie aus den Fugen. Ich habe gelernt, mich klar auszudrücken. Eine Anweisung wie eine Anweisung, keinesfalls als Bitte oder Vorschlag. Klare Formulierungen, die Hauptaussage im ersten Satz - man weiß nie, ob man noch zu einem zweiten kommt. Schießt der Dialogfeind zurück, muss man verbal in Deckung gehen und sich auf das Feuergefecht einlassen, der ursprüngliche Anlass des Gesprächs hat sich kurzfristig erledigt, denn Machtspielchen haben immer Vorrang.
Natürlich sind Schriftsteller nicht alle lieb und nett zueinander, aber immerhin schießen sie höflich aufeinander. (Mit Wattebällchen.) Sie sind fähig, Kritik konstruktiv und zivilisiert zu formulieren. Auch jemanden ausreden zu lassen ist eine schöne Sitte, sogar wenn er sich den Raum nimmt, drei und mehr Sätze zu sagen. (Ich habe mitgezählt!) Ich vermute, in der Diskussion über Literatur braucht es mehr als einen Satz, weil die Aussagen komplexer sind. In der Informatik genügt ein "This whole text is complete bullshit!" oder "Das versteht sowieso kein Mensch" - zumindest in der Hierarchie von oben nach unten. Als ich behauptete, ich würde ja noch leben, scherzte ich nur. Bei Sigrid Löffler bin ich jetzt unten durch, weil ich mich auf dieses kunstvoll geschriebene Buch nicht einlassen wollte. Ich habe ja zugegeben, dass ich es gut gemacht finde. Es IST rund und stimmig und verursacht die Gefühle, die es verursachen möchte. Aber ich mag es trotzdem nicht. Das nächste Mal, wenn ich einen Preisträger zerreiße, gebe ich mir wieder mehr Mühe mit der Begründung. :-)
Ich überlege immer noch, ob die Literaturkritik wirklich so dermaßen unwichtig und am Absterben ist, wie S. Löffler behauptet. Wird diese Kunst durch das "Laiengeschwätz im Internet" wirklich abgelöst oder nur ergänzt? Als Leserin informiere ich mich tatsächlich bei Amazon und in Bücherforen darüber, wie andere Leser ein Buch gefunden haben. In der Summe ergibt sich stets ein treffendes Bild. Aber für mich als die Autorin eines Buchs wiegt eine Rezension durch einen Profi anders als wenn Lieschen Müller schreibt "Voll spannend - hab es in einem Rutsch in einer Nacht durchgelesen!" oder auch "Ich hab´s nicht kapiert und kann die Heldin nicht leiden". Mit meinem Roman anderen schlaflose Nächte zu bereiten war natürlich das Ziel. Aber der Verriss durch einen Profi würde mir noch deutlicher in den Schweinehund treten. Die Einzigen, die einen Autor zum ordentlichen Schreiben erziehen, sind sein Verleger/ Lektor und die Kritiker da draußen.
Geschichten-Manufaktur - 17. Feb, 14:22