Donnerstag, 20. Oktober 2011

Luisa soll Funker werden

"Und?" fragte Landwehr, als Luisa sich zu ihm setzte.
Er hatte bereits seine Gulaschsuppe zur Hälfte ausgelöffelt, während ihr voller Suppenteller noch auf dem Tablett dampfte.
Sie strahlte. "Alles wird gut. Der Alte ist gar nicht so übel."
"Jetzt mache ich mir Sorgen!" ulkte Landwehr und wies mit dem Löffel auf den leeren Platz ihm gegenüber.
Luisa konnte nicht verhindern, dass sie sich umblickte, um zu sehen, wer beobachtete, dass sie sich zum unbeliebtesten Ausbilder des ganzen Schiffs setzte. Aber in dem Raum, der angefüllt war von Gulaschduft, Stühleschieben, Mittagsgesprächen und Löffelklappern achtete niemand darauf, dass Luisa sich auf einen der letzten leeren Plätze setzte.
"Er war ganz freundlich, wirklich, und scheint mich auch ganz gut zu finden", strahlte Luisa.
"Was hat er denn genau gesagt?" fragte Landwehr misstrauisch und pustete auf seinen Löffel.
Luisa beugte sich vor und flüsterte: "Er hat mir sogar Tee angeboten. Und ich durfte mich in einen Sessel setzen."
"Uuuu", scherzte Landwehr, "wozu wollte er dich denn verführen, der alte Knabe?"
Luisa lächelte. "Der Käptn will, dass ich eine Zusatzausbildung zum Funker mache."
"Ah."
"Ja, meine Ergebnisse in den Prüfungen ergeben, dass ich ideal dafür geeignet bin."
"Er findet sonst keinen anderen Trottel."
"Das ist ein ehrenwerter Posten!" muckte Luisa auf.
"Ja, und genau deshalb klebt Erwin auch so dran. Ist dir schon aufgefallen, dass wir bereits zwei Funker haben? Erwin und Bill heißen sie und die sind doppelt so schwer wie du - jeder von denen."
"Haha, sehr witzig."
"Das wird überhaupt nicht witzig, wenn die dich zu Brei schlagen, Kindchen."
"Aber warum sollten sie das tun? Sie sind wirklich ein schlechter Mensch, der von allen nur das Schlimmste denkt!"
"Frag die beiden doch, ob sie sich freuen, Zuwachs zu kriegen."
"Dann können sie öfter frei machen. Urlaub und so. Bisher arbeiten sie ja jeden Tag 12 Stunden. Der Funkerposten muss ständig besetzt sein."
"Jepp, sehr wichtige Position. Die sind auf ihren Stühlen festgewachsen. Die wohnen an ihrem Arbeitsplatz. Meistens sitzen sie zu zweit da und spielen Schach. Kannst du Schach?"
"Nein, aber für Schach braucht man ja nur zwei Spieler."
"Eben! Schwarz und weiß. Für Rosa ist kein Platz auf dem Spielfeld."
"Warum rede ich überhaupt mit Ihnen?" fragte Luisa und zerrupfte wütend ihr Brötchen.
"Damit dir jemand die Wahrheit sagt?" schlug er vor.
"Aber selbst wenn Sie recht haben. Ich könnte doch dem Käptn sowas nicht abschlagen."
"Nein, aber ich rate dir, dich dumm zu stellen und ein paar harmlose Funksprüche zu versieben. Dann..."
"Ich soll absichtlich Fehler machen?"
"Willst du irgendwann volljährig werden oder nicht?"
"Ich BIN schon volljährig, Sie Hornochse!" Sie blickte sich nach einem anderen Sitzplatz um, aber es war keiner frei.
"Gut, du hörst also nicht auf meinen Rat. Du wollest einfach nur, dass ich dir dazu gratuliere, dass der Käptn dich den beiden Funk-Haien zum Fraß vorwirft. Ich gratuliere also. Und falls du dich dann bei mir ausheulen willst, dann werde ich mir den schlimmsten aller schlimmsten Mentorensprüche verkneifen, der da heißt: 'Ich hab´s dir doch gleich gesagt!'"
"Sie verderben mir die ganze Freude an dieser Auszeichnung."
"Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste, sagten wir damals auf der Erde. Du weißt schon, Porzellan ist dieses Zeugs, das kaputt geht, wenn es der Schwerkraft folgend..."
"Ja, ja, ich erinnere mich", knurrte sie. "Ich bin schließlich nicht auf diesem Schiff geboren, wo man aus Blechnäpfen isst."
"Der Kapitän hat Porzellan. Hat er es dir nicht gezeigt?"
"Vielleicht bei meiner Beförderung zum Oberfunker", knurrte Luisa.
"Hey, du willst zwei Morde begehen?" fragte Landwehr mit gespieltem Erstaunen.
"Nein, ich werde verdammt gute Arbeit leisten."
"Und was ist das, was Erwin und Bill tun?"
"Schachspielen?"
"Mädchen, du hast eine interessante Ausbildung vor dir. Du wirst fürs Leben lernen. Falls du es überlebst." Landwehr hatte seinen Teller leer und während er sich erhob, flüsterte er: "Dann lass ich dich mal in Ruhe essen. Die Suppe schmeckt kalt nämlich wie tote Füße."
Er hatte schon das Tablett erhoben und wandte sich ab, da sagte Luisa: "Ich fürchte, Sie haben wie immer Recht. Wenn der Käptn jemanden lobt, ist was faul dran."
Landwehr grinste und hob die Hand an die Mütze zum Gruß. Dann ging er davon, um sein Tablett auf das Förderband zu stellen.
Luisa stocherte in ihrem Gulasch herum. Sie fühlte sich gar nicht so großmäulig wie sie getan hatte. Obwohl die beiden Funker die meiste Zeit des Tages saßen und Schach spielten, sah man sie auch oft genug im Trainingsraum. Beide hatten das Kreuz eines Boxers. In was war sie jetzt schon wieder reingeraten? Und warum passierte so etwas immer ausgerechnet ihr? Sollte sie wirklich absichtlich Fehler machen? Zunächst mal würde sie sich die Sache ansehen. Vielleicht waren Erwin und Bill ja eigentlich ganz nett und ihrem Charme nicht abgeneigt? Sie galten als intelligent und kluge Menschen mochten doch die Gesellschaft anderer kluger Menschen. Sie seufzte. Eigentlich wollte sie ganz gerne Funker werden, aber war sie bereit, dafür ihre gerade Nase und die Vorderzähne zu riskieren?

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