Arztbesuch
Die Future legte am Planeten Milan-29 an, um innerhalb von vier Wochen einige Wartungsarbeiten durchführen zu lassen. Landwehr hatte nur auf diese Gelegenheit gewartet, um seinen Fuß instand setzen zu lassen. Seit Monaten ertrug er tapfer eine Nagelbettentzündung. Er wusste, dies musste operiert werden und damit wollte er sich nicht in Dr. Songs Hände begeben. Schließlich war sie Zivilistin.
Er begab sich ins Militärkrankenhaus, Samstag hatte er dienstfrei. Er stellte fest, dass Wochenende nur die Notaufnahme besetzt war. Also stapfte er dort hinein. Er kam sofort dran, die junge Ärztin mit dem blonden Pferdeschwanz interessierte sich sehr für die Geschwüre, die sich dort gebildet hatten.
"Und mit sowas kommen Sie erst jetzt?"
"War im All unterwegs", erklärte er knapp.
"Das machen wir schnell", beschloss sie beschwingt.
Landwehr beeindruckten ihr Elan und Selbstvertrauen, denn eine Kleinigkeit war das nun nicht gerade. Aber er hatte etwas übrig für tatkräftige Menschen.
Er erhielt eine Spritze in den Zeh und die junge Frau packte die Messerchen auf den Tisch neben seiner Liege. Sie begann mit dem Gemetzel und Landwehr betrachtete die weiße Zimmerdecke. Er fühlte es zupfen und rupfen, schließlich ein "Ach, du liebe Güte". Er blickte nach unten und sah wie die Ärztin seinen Zehnagel unsanft nach hinten geklappt hatte und fassungslos darunter starrte. Ja, er wusste, dass da etwas wuchs, auf der vollen Breite des Nagels. Hätte sie ihn gefragt, so hätte er es ihr sagen können. Schließlich hatte er die Krankheit seit Monaten unter täglicher Beobachtung gehalten.
"Da muss man eine richtige, große Operation machen", entschied sie. Wieso richtig? War das hier nicht richtig?? Und was bedeutete "groß"? Amputation des gesamten vorderen Gelenks? Aus der Menge an frischem hellrotem Blut zu schließen, die sie vergossen hatte, war der halbe Zeh ja schon ab.
Dicke weiße, flauschige Tücher wurden auf einen Zeh gepresst, mehrere Zentimeter dick, und dann noch mit einer Binde fest gewickelt. Landwehr durfte gehen. Er solle sich einen Operationstermin entweder hier im Krankenhaus oder bei einem Orthopäden holen. Sie riet ihm zum Orthopäden, denn dort würde er schneller einen Termin bekommen. Sein Bauchgefühl sagte ihm aber eher, dass sie nicht wollte, dass ihre Kollegen im Haus von ihrem voreiligen Gemetzel mitbekamen. Sie belud ihn noch mit Verbandsmaterial, das über das Wochenende reichen sollte. Notdürftig bekam er die vordere Hälfte seines bandagierten Fußes in den Schuh zurück und humpelte davon.
Am Nachmittag hatte er immer noch dienstfrei und war froh darüber, denn er bekam leichtes Fieber und konnte sich kaum auf die Fachliteratur konzentrieren, die er sich für diesen Tag vorgenommen hatte. Er meldete sich bei sich selbst krank und sah stattdessen einen Spielfilm an.
Sonntag war Landwehr wieder auf Wache. Der Fuß brannte nicht stärker als zuvor. Beim Wechseln des Verbands hatte er festgestellt, dass die junge Frau trotz des großen Brimboriums mit Spritzen und mehreren Skalpellen sowie dem großartigen Blutvergießen fast gar nichts gemacht hatte. Alles nur Show. Der Zehnagel war noch vorhanden sowie das Geschwür. Nur die obere Schicht, die abgestorbene Hornhaut, hatte sie abgeschnitten. Das hätte er auch nach gutem Einweichen mit einer Nagelschere hinbekommen!
Montag waren dann endlich auch die Ärzte wieder auf dem Posten. Er rief den ersten Orthopäden an, doch der Anrufbeantworter verkündete Urlaub. Die Urlaubsvertretung war auch unerreichbar wegen Fortbildung. Der dritte Orthopäde vergab nicht so einfach Operationstermine, da müsse man erstmal draufsehen. Er könne einen Termin morgen früh erhalten oder nächste Woche. Nächste Woche? Bis dahin war die erste Operation ja schon verheilt! Morgen früh ging nicht, da war eine Besprechung.
Also fuhr er wieder ins Krankenhaus. Zog sich eine Nummer für die Patientenaufnahme. Als er endlich dran kam, stellte es sich heraus, er war hier falsch. Er musste in den ersten Stock zur ambulanten Chirurgie. Da er nicht gleich einen Aufzug fand, stieg er zu Fuß hoch. Dort stand alles mögliche auf den Wegweisern, nur keine ambulanten Chirurgie. Aber er bemerkte dann, dass er sich im Erdgeschoss befand und es außerdem Aufzüge gab. An den Aufzügen stand: "Bitte die Personenaufzüge gegenüber benutzen."
Gegenüber war allerdings der Wegweiser, der ihn darauf hinwies, dass er im falschen Stockwerk war. Also stieg er noch eine Etage nach oben. Dort stand auf den Wegweisern alles mögliche, nur nicht ambulanten Chirurgie. Die fand er erst, nachdem er aufs Geradewohl nach rechts abgebogen war, weil links die Operationssäle lagen. Dort kam er sofort dran, allerdings nur um zu erfahren, dass erst zu einem Orthopäden gehen müsse und sich gegebenenfalls eine Überweisung geben lassen müsse. Falls er hierher zurück wollte.
Also zog er wieder ab und wollte den Orthopäden anrufen, um ihm mitzuteilen, er habe bisher kein besseres Angebot bekommen und nähme den Termin morgen früh gerne an. Allerdings hatte er wohl übers Wochenende vergessen sein Handy auszuschalten oder zu laden. Solche Vergesslichkeit kannte er gar nicht an sich! Der Akku war leer. Schnell fuhr Landwehr zum Raumschiff zurück und schnappte sich das erstbeste Telefon. Er rief an, beim Orthopäden nahm man ab, aber leider konnten die ihn nicht hören und legten wieder auf. Er eilte zum nächsten Telefon. Nein, der Termin morgen früh sei schon weg. Er holte tief Atem, um einem Wutanfall Luft zu machen, aber die junge Frau lenkte ein und gab ihm einen Termin am Mittwoch um die Mittagszeit. Er nahm ihn an, weil er ahnte, dass er noch Glück gehabt hatte.
Im Kopf rechnete er nach, dass er mit dem Verbandsmaterial sparsam umgehen musste. Er hatte Reserven von früheren Verletzungen in seinem persönlichen Medizinkasten. Er würde klar kommen, ohne Dr. Song behelligen zu müssen. Die sollte von seinem Problem nichts erfahren, denn sie würde ihn doch nur krank schreiben. Sie war eben Zivilistin.
Er begab sich ins Militärkrankenhaus, Samstag hatte er dienstfrei. Er stellte fest, dass Wochenende nur die Notaufnahme besetzt war. Also stapfte er dort hinein. Er kam sofort dran, die junge Ärztin mit dem blonden Pferdeschwanz interessierte sich sehr für die Geschwüre, die sich dort gebildet hatten.
"Und mit sowas kommen Sie erst jetzt?"
"War im All unterwegs", erklärte er knapp.
"Das machen wir schnell", beschloss sie beschwingt.
Landwehr beeindruckten ihr Elan und Selbstvertrauen, denn eine Kleinigkeit war das nun nicht gerade. Aber er hatte etwas übrig für tatkräftige Menschen.
Er erhielt eine Spritze in den Zeh und die junge Frau packte die Messerchen auf den Tisch neben seiner Liege. Sie begann mit dem Gemetzel und Landwehr betrachtete die weiße Zimmerdecke. Er fühlte es zupfen und rupfen, schließlich ein "Ach, du liebe Güte". Er blickte nach unten und sah wie die Ärztin seinen Zehnagel unsanft nach hinten geklappt hatte und fassungslos darunter starrte. Ja, er wusste, dass da etwas wuchs, auf der vollen Breite des Nagels. Hätte sie ihn gefragt, so hätte er es ihr sagen können. Schließlich hatte er die Krankheit seit Monaten unter täglicher Beobachtung gehalten.
"Da muss man eine richtige, große Operation machen", entschied sie. Wieso richtig? War das hier nicht richtig?? Und was bedeutete "groß"? Amputation des gesamten vorderen Gelenks? Aus der Menge an frischem hellrotem Blut zu schließen, die sie vergossen hatte, war der halbe Zeh ja schon ab.
Dicke weiße, flauschige Tücher wurden auf einen Zeh gepresst, mehrere Zentimeter dick, und dann noch mit einer Binde fest gewickelt. Landwehr durfte gehen. Er solle sich einen Operationstermin entweder hier im Krankenhaus oder bei einem Orthopäden holen. Sie riet ihm zum Orthopäden, denn dort würde er schneller einen Termin bekommen. Sein Bauchgefühl sagte ihm aber eher, dass sie nicht wollte, dass ihre Kollegen im Haus von ihrem voreiligen Gemetzel mitbekamen. Sie belud ihn noch mit Verbandsmaterial, das über das Wochenende reichen sollte. Notdürftig bekam er die vordere Hälfte seines bandagierten Fußes in den Schuh zurück und humpelte davon.
Am Nachmittag hatte er immer noch dienstfrei und war froh darüber, denn er bekam leichtes Fieber und konnte sich kaum auf die Fachliteratur konzentrieren, die er sich für diesen Tag vorgenommen hatte. Er meldete sich bei sich selbst krank und sah stattdessen einen Spielfilm an.
Sonntag war Landwehr wieder auf Wache. Der Fuß brannte nicht stärker als zuvor. Beim Wechseln des Verbands hatte er festgestellt, dass die junge Frau trotz des großen Brimboriums mit Spritzen und mehreren Skalpellen sowie dem großartigen Blutvergießen fast gar nichts gemacht hatte. Alles nur Show. Der Zehnagel war noch vorhanden sowie das Geschwür. Nur die obere Schicht, die abgestorbene Hornhaut, hatte sie abgeschnitten. Das hätte er auch nach gutem Einweichen mit einer Nagelschere hinbekommen!
Montag waren dann endlich auch die Ärzte wieder auf dem Posten. Er rief den ersten Orthopäden an, doch der Anrufbeantworter verkündete Urlaub. Die Urlaubsvertretung war auch unerreichbar wegen Fortbildung. Der dritte Orthopäde vergab nicht so einfach Operationstermine, da müsse man erstmal draufsehen. Er könne einen Termin morgen früh erhalten oder nächste Woche. Nächste Woche? Bis dahin war die erste Operation ja schon verheilt! Morgen früh ging nicht, da war eine Besprechung.
Also fuhr er wieder ins Krankenhaus. Zog sich eine Nummer für die Patientenaufnahme. Als er endlich dran kam, stellte es sich heraus, er war hier falsch. Er musste in den ersten Stock zur ambulanten Chirurgie. Da er nicht gleich einen Aufzug fand, stieg er zu Fuß hoch. Dort stand alles mögliche auf den Wegweisern, nur keine ambulanten Chirurgie. Aber er bemerkte dann, dass er sich im Erdgeschoss befand und es außerdem Aufzüge gab. An den Aufzügen stand: "Bitte die Personenaufzüge gegenüber benutzen."
Gegenüber war allerdings der Wegweiser, der ihn darauf hinwies, dass er im falschen Stockwerk war. Also stieg er noch eine Etage nach oben. Dort stand auf den Wegweisern alles mögliche, nur nicht ambulanten Chirurgie. Die fand er erst, nachdem er aufs Geradewohl nach rechts abgebogen war, weil links die Operationssäle lagen. Dort kam er sofort dran, allerdings nur um zu erfahren, dass erst zu einem Orthopäden gehen müsse und sich gegebenenfalls eine Überweisung geben lassen müsse. Falls er hierher zurück wollte.
Also zog er wieder ab und wollte den Orthopäden anrufen, um ihm mitzuteilen, er habe bisher kein besseres Angebot bekommen und nähme den Termin morgen früh gerne an. Allerdings hatte er wohl übers Wochenende vergessen sein Handy auszuschalten oder zu laden. Solche Vergesslichkeit kannte er gar nicht an sich! Der Akku war leer. Schnell fuhr Landwehr zum Raumschiff zurück und schnappte sich das erstbeste Telefon. Er rief an, beim Orthopäden nahm man ab, aber leider konnten die ihn nicht hören und legten wieder auf. Er eilte zum nächsten Telefon. Nein, der Termin morgen früh sei schon weg. Er holte tief Atem, um einem Wutanfall Luft zu machen, aber die junge Frau lenkte ein und gab ihm einen Termin am Mittwoch um die Mittagszeit. Er nahm ihn an, weil er ahnte, dass er noch Glück gehabt hatte.
Im Kopf rechnete er nach, dass er mit dem Verbandsmaterial sparsam umgehen musste. Er hatte Reserven von früheren Verletzungen in seinem persönlichen Medizinkasten. Er würde klar kommen, ohne Dr. Song behelligen zu müssen. Die sollte von seinem Problem nichts erfahren, denn sie würde ihn doch nur krank schreiben. Sie war eben Zivilistin.
Geschichten-Manufaktur - 20. Jun, 13:10