Mittwoch, 23. März 2011

...

"Früher", sagte Landwehr, "war ich nachsichtig mit Jungs wie dir. In der Schule hatte man mir eingebläut, nicht jeder könne so ein Streber sein wie ich. Manche seien eben von Natur aus weniger begabt oder weniger konzentriert."
Sergej blickte nicht auf von der Spule, die er gerade von Hand wickelte.
Landwehr sprach weiter, wie zu sich selbst: "Dasselbe dachte ich noch als ich Ausbilder wurde. Nach zwei Jahren aber hatten mir meine Schüler meine Lektionen gelehrt.
Erstens: Die Jungs wissen, wenn sie schlampig gearbeitet haben. Wenn ich es ihnen durchgehen lasse, verlieren sie den Respekt vor mir.
Zweitens: Sie alle können diszipliniert arbeiten. Das ist eine reine Frage des Willens. Aber die meisten strengen sich nur an, wenn man sie in den Arsch tritt.
Drittens: Für begabte Menschen ist unser Schulsystem eine ständige Unterforderung. Ihr lernt, dass ihr mit Jammern und Fehlermachen die Lehrer dazu bringt, die Ansprüche an euch zu senken. Ihr lernt, euch absichtlich dumm zu stellen, um euch beliebt zu machen. Und am Ende glaubt ihr euer Theater selbst.
Ihr seid nie an eure Grenzen gegangen, wisst gar nicht, wozu der menschliche Organismus und Geist fähig sind. Und jedes Mal wenn einer meiner Schützlinge mich grausam nennt, weiß ich, dass ich weitermachen muss, denn er ist gerade dabei, unter Schmerzen seine Grenzen zu erweitern.
Viertens: Es gibt viele begabte junge Menschen. Aber hier draußen im All zählt nicht Begabung allein, sondern auch die Disziplin, der Wille, hartes Training, Selbstmotivation.
Wer das alles nicht hat, soll sich einen Job auf der Erde suchen. Sonst sprengt er irgendwann mal ein Raumschiff in die Luft."

"Gut so?" fragte Sergej und reichte Landwehr die Spule.
Dieser kniff die Augen zusammen. "Sieht immer noch handgemacht aus, aber sie würde funktionieren."
"Wozu soll ich das lernen?"
Als Landwehr sah, dass der junge Mann bei dieser Frage leicht die Schultern hoch zog, runzelte er die Stirn.
"Du kannst mich alles fragen", erklärte er. "Selbst wenn ich nicht antworte, war die Frage nicht falsch."
Sergej nickte und wischte sich die Haare aus der Stirn.
Landwehr erklärte: "Im Ernstfall müssen wir alles von Hand reparieren können, wirklich alles. Es gibt einiges, das kann auf diesem Schiff nur ich. Das ist ein untragbares Risiko. Ich brauche einen Vertreter."
Sergej nickte nachdenklich. Landwehr schmunzelte und fügte hinzu: "So viel zu deiner Motivation, junger Mann."
"Aber warum bilden Sie nicht mehrere Leute aus? Das wäre effizienter."
Landwehr grinste. "Wenn ich deine Fingerfertigkeit genügend geprüft habe, wirst du in geheime Kenntnisse eingeweiht, die selbst der Kapitän nicht hat. Solches Wissen verstreut man nicht sinnlos unter der Mannschaft."
"Für welchen Ernstfall bilden Sie mich aus?" fragte Sergej und zwei braune Augenpaare trafen sich.
"Jeden", antwortete Landwehr ernst. "In dem Moment wo hier die Lichter ausgehen und die Mannschaft den Kopf verliert, nehmen wir beide unseren Werkzeugkasten oder den Verbandskasten und reparieren die Scheiße."
"So wie Sie das Schiff aus dem Astroidengürtel gelenkt haben?"
"Jepp", erwiderte Landwehr munter. "Erinnere mich daran, dass ich dir die zugehörigen Lektionen noch gebe."
"Aber warum werden wir die einzigen sein, die nicht den Kopf verlieren, wenn die Lichter ausgehen?"
"Weil wir jedes Kabel dieses Schiffs kennen und weil wir mental auf alles vorbereitet sind. Für uns ist nicht das Licht aus, sondern Kabel Nummer 4714 durchgeschmort, das in Sektion 3 unter Bodenplatte 17 liegt. Darum."

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