Samstag, 1. November 2014

Schulungsfrust /2

Aaah, mir ist inzwischen aufgegangen, warum die Studenten absichtlich gelogen haben. Sie wollen mich zielstrebig abschießen. Ihnen hat die Vorstellung gar nicht gefallen, dass ich ihre Prüfung erstelle und korrigiere. Wobei sie Pech haben, denn die habe ich schon längst eingereicht. Womit ich sie vermutlich gegen mich aufgebracht habe, war die Erwähnung, dass ich schon Leute bei der Hausarbeit durchfallen lassen habe, weil sie Texte aus dem Internet als ihre ausgegeben haben. Sorry, aber warum glauben die Leute, dass man ihnen mehrere ECTS-Punkte à 25 Stunden Arbeitszeit dafür gut schreibt, dass sie von der IHK-Webseite einen Artikel herunterladen, die Überschrift austauschen und das als angeblich ihr Hausarbeitsergebnis einreichen? Hat man ihnen das so auf der Schule beigebracht?? Ich verlange von ihnen, dass sie Literatur lesen und sich eine eigene Meinung bilden und einen eigenen Text schreiben. Einer der Studenten war irritiert von dieser Erwartung. Er erzählte, ein anderer Dozent habe ihnen gesagt, sie sollen nur sein Buch zitieren. Bei allen anderen Büchern wisse man ja nicht, ob sie richtig seien.

Nun kann es natürlich sein, dass die Studenten nächstes Jahr von meinem Anblick verschont bleiben. Kursevaluation schön und gut, aber wie sich das entwickelt hat, das gefällt mir gar nicht. Die Macht, die ich über die Studierenden habe, ist extrem begrenzt. Ich muss meine Prüfung und Musterlösungen zur Qualitätssicherung einreichen, alle Benotung und Punktabzüge transparent machen und mich zu Beschwerden in Bezug auf Noten schriftlich äußern. Ich musste mich auch schon schriftlich zu wirklich haarsträubenden Vorwürfen eines Studenten äußern, der eigentlich endgültig durch die Hausarbeit gefallen war. (Zuerst den Abgabetermin versäumt und dann ein Plagiat eingereicht.) Um seinen Härtefallantrag durchzubekommen und eine dritte Chance zu erhalten, und vermutlich auch, um mich als Prüferin abzuschießen, "musste" er ja die Schuld für sein Versagen auf mich schieben. Die nächste Hausarbeit war immer noch pannepeinlich, wo er größere Textteile aus der Literatur rüber kopiert hatte, ohne sie ausdrücklich als Zitat zu markieren. Immerhin hatte er die Quelle mal so pauschal angegeben. Um zu verhindern, dass er mich endgültig abschießt, habe ich ihn durchkommen lassen und nur "missverständliche Zitierung" bemängelt.

Selbst wenn ich es wollte, wäre es für mich extrem schwierig, einen Studenten endgültig abzuschießen. Solche Fälle werden von der Hochschulleitung gründlich geprüft.

Umgekehrt ist es für die Studierenden extrem einfach, mich abzuschießen. Sie brauchen einfach nur anonym in der Lehrevaluation die schlimmsten Dinge über mich schreiben und mir bei allen möglichen Bewertungspunkten eine 5 geben. Dann bin ich den Job los. In Unehren entlassen. Ich bin recht sicher, dass ich den Job schon längst verloren hätte, wenn es so einfach wäre, hoch qualifizierte Experten zu finden, die für so wenig Geld arbeiten.

Naja, wie dem auch sei. Gestern hatte ich in einem anderen Kurs die letzte Stunde, und die Studenten haben sich sehr positiv zu meinem Kurs geäußert. Dieser war eine ganz normale Vorlesung, pro Kurseinheit mit 30 Minuten Vorlesung und 15 Minuten Übung. Und da konnte mir dann keiner vorwerfen, ich sei stinkfaul oder inkompetent. Ich scheine also doch Recht damit zu haben, dass der gute alte Frontalunterricht am besten ankommt. Diese ganze pädagogische Zeugs von wegen "sich den Lernstoff selbst erarbeiten", das will doch keiner. Das ist vor allem anstrengend.

Ganz ohne Anleitung geht das sowieso nicht. Ich hatte neulich Kontakt zu einem Grüppchen Studierenden, die sich ihr Wissen ganz selbst erarbeiten, weil sie das universitäre Prinzip nicht mögen, dass der Dozent ihnen unterstellt, sie würden gar nichts lernen wollen, und ihre Arbeit wochenweise kontrolliert. Tja, aber leider muss man als Dozent genau so heran gehen. Die Studierenden tun immer nur genau so viel wie sie unbedingt müssen. Sie wollen ja gar kein Wissen erwerben, sondern nur ECTS-Punkte und ihren Abschluss. Wobei das tatsächlich Sinn macht, weil im Berufsleben sowieso keiner das Wissen anwendet, das er im Studium hätte lernen sollen. Da wird dann doch wieder gepfuscht. Wenn ich will, dass meine Studierenden auch nur annähernd was lernen, Methoden selbst mal anwenden und eventuell einen Hauch von Ahnung bekommen, dass diese Methoden nicht ganz unnütz sind, muss ich sie dazu zwingen. Wöchentliche Hausarbeiten, individuell korrigiert. Wo Fehler, da Punktabzug und Schein in Gefahr. Was umso lustiger für mich auch ist, als ich ja nur pro Kursstunde bezahlt werde und die Hausaufgabenkorrekturen unbezahlt mache. Damit senke ich meinen Stundensatz natürlich unter Putzfrauengehalt, so dass ich mich immer wieder frage, wozu ich mir das antue. Gute Lehre danken einem die Studierenden ja doch nicht. Die danken vor allem leichte Prüfungen.

Und dieses Grüppchen Studenten erarbeitet sich das Wissen selbst, haben aber auch schon bemerkt, dass es sehr aufwändig ist, dies ohne Unterstützung eines Experten zu tun. Ich fand es jedenfalls schön, dass sie echtes Interesse an meinem Vortrag hatten. Nicht wie oft die Studierenden, die sich meine Vorlesung nur unter dem Lernaspekt ansehen, à la "Müssen wir das bei der Prüfung auswendig wissen?" und "Das ist aber total viel Stoff!"

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