Besprechung
"Warum gehöre ich als Frau grundsätzlich niemals dazu? Ich mache doch gut Arbeit, oder nicht? Ich mache sogar einen wichtigen Job, von dem unser aller Überleben abhängt!"
"Was haben die bösen Jungs denn gemacht?"
"Das Übliche!"
"Sie in den Hintern gezwickt?"
"Das soll mal einer wagen!" knurrte Luisa. "Dann kann ich ihn wenigstens erstens vermöbeln und zweitens beim Käptn melden."
"Sie dürfen leider nur entweder das eine oder das andere. Prügel bei sexueller Belästigung ist leider übertriebene Notwehr, die sollten sie im eigenen Interesse nicht melden."
"Puh, Landwehr, müssen Sie immer so verdammt korrekt und penibel sein, selbst wenn ich mich aufrege?"
"Gerade dann macht es doch Spaß."
"Sie sind genauso ein Sadist wie die anderen!"
"Wussten Sie doch schon!"
"Und wie kann man Machos wie Sie stoppen?"
"Gar nicht. Dazu macht es viel zu viel Spaß."
"So."
"Nein, mir nicht. Ihnen gegenüber jedenfalls nicht. Aber wenn da eine wirklich dumme Nuss..."
"Ach, Landwehr, Sie geben doch jedem Blondlöckchen mit pinkfarbenem Nagellack noch eine Chance und warten die erste schriftliche Prüfung ab!"
"Und die werten Kollegen auf dem Schrottschiff?"
"Natürlich nicht, wie immer!"
"Ich möchte betonen, dass Sie in Sachen Weltraummikroben durch die Prüfung gerasselt sind!"
Luisa ächzte. "Das hat sich doch längst geklärt! Das Gerät war defekt! Wäre es nach dem Gerät gegangen, wäre das ganze Schiff schon vorher verseucht gewesen!"
"Glück für Sie, aber nur ein günstiger Zufall. Haben Sie übrigens auch ein funktionierendes Gerät an Bord? Damit Sie prüfen können, ob nicht doch..."
"Landwehr, machen Sie mich nicht wuschig! Wären dort Mikroben eingedrungen, dann hätte ich schon längst Fieber!"
"Vielleicht sind Sie bereits immun oder chronisch verseucht?"
"Darum geht es doch gar nicht. Ich wollte mich über die Besprechung gestern aufregen!"
"Aber Ihnen ist schon klar, dass so ein Versehen für immer an Ihnen hängen bleiben wird?"
"Ja, ich weiß!" brüllte Luisa. "Da reißt man sich ein halbes Jahr lang den Arsch auf, um dieses Schiff zu retten und dann passt man ein Mal nicht auf, auf ein Risiko mit der Wahrscheinlichkeit von 1 zu 1 Million, und schon gilt man als fahrlässig! Aber darum geht es gar nicht. Um Fakten geht es nie. Die haben sich von Anfang an so seltsam mir gegenüber benommen. Genauso wie auf Ihrem Schiff. Und auf der Erde. Und im Rest des Universums wird es auch nie anders sein. Wenn ich die Erde lebend erreiche, schule ich um zur Grundschullehrerin oder serviere in einem Restaurant. Es bringt ja nichts, sich gegen die Klischees der Mitmenschen aufzulehnen!"
"Nun sind Sie es, die ablenkt. Was also war gestern Ihrer Meinung nach los?"
"Also, ich kam rein, da waren die Herren gemütlich stehend am Kaffeetrinken. Ich schnappte mir auch ein Tässchen und stellte mich dazu. Sie drehten sich weg und gingen woanders hin, um sich ohne mich zu unterhalten."
"Das Thema war nicht für Sie bestimmt."
"Das ist es doch nie. Außerdem ging es um das Kantinenessen. Essen betrifft mich auch."
"Ja, aber Sie wissen, dass es bei einem Gespräch ums Essen nie ums Essen geht. Vermutlich sprachen sie in verschlüsselter Weise über ihre Familien und ihr Heimweh, und das teilt man nicht mit jeder daher gelaufenen Sicherheitsingenieurin."
Luisa schnaubte. "Und so ging es weiter. Der Kapitän kam als letzter, wie sich das gehört, und sofort setzten wir uns alle brav an unsere Plätze. Sie wissen schon, der Hierarchie entsprechend."
"Und wo saßen Sie?"
"Ich versuchte natürlich, einen Platz möglichst nahe beim Käptn zu erwischen. Schließlich stehe ich im Organigramm nun auf einer Stabsstelle. Aber der Funker drängte mich mit dem Ellenbogen zur Seite. Ich hielt natürlich dagegen, aber ohne Prügelei hätte ich nicht siegen können, und das wollte ich nun auch nicht. Ich meine, mich mit dem Kerl auf dem Boden wälzen und einander die Fresse einzuschlagen während der Besprechungszeit. Das müssen wir mal in der Freizeit nachholen! Ich passe ihn bei Gelegenheit im Trainungsraum ab, den Arsch."
"Gut, das wäre also geklärt", schmunzelte Landwehr ironisch. "Ihnen ist schon klar, dass Männer untereinander etwas subtiler vorgehen? Haben Sie ihm wenigstens schonmal während der Besprechung den Apfelsaft weg getrunken und den Kugelschreiber gestohlen?"
"Jawohl, bin ja nicht von gestern. Strafe muss immer sofort erfolgen. Es ist mir auch gelungen, einen Kronkorken - hoppla - in sein Glas fallen zu lassen. Keine Ahnung, wie das passieren konnte!"
"Dann hat sich doch die Prügelei im Trainingsraum erledigt."
"Sie wissen ja, wie das mit Männern ist. Mit denen muss man Klartext sprechen."
"Nein, also, mir scheint, Sie waren bereits klar genug."
"Warum kapiert sowas dann keiner?"
"Weil er nicht will. Das nächste Mal drängt er Sie wieder mit dem Ellenbogen und vielleicht stolpern Sie dann sogar unelegant über seinen Fuß? Das ist doch wie beim Sport, da will ein Mann auf keinen Fall einer Frau unterlegen, weil ja wissenschaftliche Untersuchungen gezeigt haben, dass Frauen unsportlicher sind als Männer. Weniger Muskelmasse. Und daraus schließt der normale Macho, dass keine Frau besser sein darf als er. Sie wissen ja, unser Gehirn arbeitet nicht nur im Kopf, darum kapieren wir das mit der Statistik nicht so recht."
"Sie wissen ja prima Bescheid!"
"Hab ich von Ihnen gelernt."
"Na, jedenfalls ging es dann so weiter. Wir begannen mit dem Statusbericht, jeder reihum ein paar Sätze. Während ich dran war, ging das Wühlen in den Unterlagen los, das Einschenken von Mineralwasser und das Aufstehen und Nachschenken von Kaffee. Was ich erzähle, ist grundsätzlich mal unwichtig, weil Frauenblabla. Sogar der Kapitän hörte nicht wirklich zu, sondern machte Scherze mit dem Funker. Oder umgekehrt der Funker mit ihm. Dabei ging es um die Explosion!"
"Na, den Bericht wird er ja bereits gelesen haben."
"Stellen Sie sich nicht dümmer als Sie sind. Mit seinem Verhalten signalisierte er, das Thema sei nicht wichtig."
"Der Vorteil ist, dass er keine Fragen stellte."
"Aber hallo, hat der Fragen gestellt! Im vorwurfsvollsten Ton, so als habe ich das Ganze ausgelöst."
"Haben Sie doch auch."
"Nicht offiziell, also nicht tatsächlich. Mist, Landwehr, fallen Sie mir nicht auch noch in den Rücken! Jedenfalls habe ich das nicht auf mir sitzen lassen können."
"Sie haben sich also verteidigt?" fragte Landwehr. "Und womöglich den Kapitän beschuldigt?"
"Was sollte ich denn anderes machen??? Ich konnte das doch nicht so stehen lassen!"
"Hätten Sie mal besser getan. Spätestens jetzt wissen alle, dass sie sich von Ihnen fern halten müssen, weil der Kapitän Sie auf dem Kieker hat. Er wird Sie abschießen, und da will keiner in der Nähe sein, damit es ihn nicht auch trifft."
"Er kann mich nicht abschießen, und das weiß er auch."
"Das wird ihn vermutlich zu Tode ärgern und ihm Magengeschwüre machen. Die blöde Tussi hat es geschafft, sich unentbehrlich zu machen! Vielleicht findet er noch einen Weg, um Sie zu ersetzen. Notfalls muss er nachweisen, dass Sie fahrlässig sind. Mit den Mikroben hat er schonmal erfolgreich einen schweren Verdacht auf Sie gelenkt, Ihren winzigen Fehler zu einer tödlichen Bedrohung hoch stilisiert."
"Sie meinen, er hat das Messgerät vielleicht manipuliert?"
"Warum nicht? Sie untergraben mit Ihrem ständigen Genörgel seine Autorität."
"Aber er bringt das Schiff in Gefahr!"
"Laut Organigramm trägt er allein die Verantwortung dafür und Sie hat das nicht weiter zu kümmern. Sie mischen sich in seine Angelegenheiten ein."
"Sie meinen, ich hätte besser mit ihm Eis essen gehen sollen und ihn zum Verbündeten machen? Davon überzeugen, wie wichtig Sicherheit ist, damit er es als seine Idee ausgeben kann?"
"So ungefähr. Sie haben einen Krieg begonnen, den Sie nicht gewinnen können."
"Aber er hat mich doch von Anfang an nicht ernst genommen. Niemand hier hat mich ernst genommen! Niemand im Universum nimmt mich ernst!"
"Und wenn Sie schon so ein unwichtiger Krümel sind, warum greifen Sie dann Giganten an?"
"Weil verdammt nochmal mein Überleben davon abhängt, dass defekte Bullaugen repariert werden, bevor uns zu viel Sauerstoff unwiderbringlich verloren geht! Wir müssen noch weitere anderthalb Jahre auf diesem Schiff zubringen!"
"So ist das nunmal. Sie sind auf Gedeih und Verderb dem Kapitän ausgeliefert. Er allein trägt die Verantwortung. Sie haben das mit den Hierarchien immer noch nicht kapiert."
"Sie treiben mich in den Wahnsinn!"
"Sie hätten sich Ihr Schiff eben besser aussuchen müssen."
"Hätte, hätte...!"
"Ja, OK, nun ist es schon passiert. Es gibt nur noch eine Möglichkeit, wie Sie da raus kommen. Außer über die Haftzelle oder Gummizelle."
"Ich muss dem Kapitän den Schwanz lutschen?"
"Sinngemäß. Hören Sie, wenn die Kerle da in dieser Runde Ihnen nicht zuhören, Sie unterbrechen, attackieren und unhöflich behandeln, das passiert denen nicht aus Versehen. Die wissen genau, was sie tun. Das sind Profis. Sie haben verspielt und werden nun behandelt wie jemand, der ganz unten ist."
"Aber das war ich von Anfang an auch!"
"Sie hätten sich den Aufstieg erkämpfen müssen."
"Also doch die Prügelei im Trainingsraum?"
"Nein, subtiler! Frühzeitig anderen die Apfelsaftflasche wegnehmen oder hinschieben, je nach Ihrer Strategie. Die haben Sie ganz genau beobachtet und ihre Schlüsse aus allem gezogen, was Sie taten."
"Ich bin hier aber ganz ungerechterweise mit dem falschen Fuß aufgekommen und bin ohne eigene Schuld von einigen Alphatieren angegriffen worden."
"Schuld? Sie existieren, Sie gehen aufrecht und Sie sind hoch gebildet. Und Sie strahlen es aus, dass Sie sich nicht mit der Position der Putze zufrieden geben. Die Wortführer haben Sie sofort als Konkurrentin wahrgenommen, die haben dafür ein deutliches Gespür."
"Aber hat man denn überhaupt eine Chance, wenn man ganz neu und verletzlich ist?"
"Nee, die nutzen ihren Wissensvorsprung natürlich aus. Entweder der Kapitän setzt Sie auf eine hohe Position und unterstützt Sie beim leisesten Hauch eines Angriffs, oder Sie müssen sich von unten hoch dienen. Ganz unten anfangen, so lautet das eiserne Gesetz."
"Das liegt mir aber gar nicht!"
"Dann sind Sie falsch gepolt. Was glauben Sie denn, warum die meisten Leute nie das Schiff wechseln? Die bisher errungene Position geht sofort verloren und man beginnt wieder bei null. Hier bei uns, da waren Sie jemand. Auf diesem Zivilistendampfer sind Sie erstmal nur die Neue. Sie können Ihren Status nicht mitnehmen."
"Tja, danke, aber ich hätte das nie gekonnt. So halb wusste ich das ja, aber ich konnte doch Finja nicht erlauben, dass sie mich öffentlich demütigt."
"Zu diesem Zeitpunkt war schon alles zu spät."
"Ich war freundlich und höflich zu ihr, ganz normal, vielleicht sogar mehr als normal."
"Sie haben dabei vermutlich gewirkt wie der Wolf, der Kreide gefressen hat. Zicklein können Sie damit täuschen, aber keinen erwachsenen Wolf."
"Sie sind lustig. Klingt nicht so als hätte ich jemals eine Chance gehabt. Ich werde auf den ersten Blick als Konkurrenz identifiziert, aber meine Versuche freundlich zu sein und mich von unten hoch zu dienen bezeichnen Sie als Täuschung. Ich kann aber auch keinen Zweikampf kaum gewinnen, wenn ich neu bin und nicht gerade Kapitäns Liebling."
"Demut, Schätzchen, Demut. Sie hätten nicht gleich von Anfang an nach der Herrschaft über das Schiff greifen dürfen."
"Hab ich nicht!"
"Haben Sie wohl! Ich kenn Sie doch!"
"Und als Frau unter Männern darf ich das nicht?"
"Auch als Mann dürften Sie das nicht. Was glauben Sie denn, warum die anderen so verdammt devot sind und dem Kapitän nach dem Mund schwafeln? Warum die sich überhaupt alle so seltsam verhalten."
"Außer Ihnen. Sie verhalten sich normal."
"Schätzchen, mich dürfen Sie nicht zum Maßstab nehmen. Ich bin ein verdammt verrückter Kauz, ein Außenseiter, der nur darum geduldet wird, weil der Kapitän weiß, was er an mir hat. Was hat Ihr Kapitän denn an Ihnen?"
"Der will doch gar nichts von mir!"
"Natürlich will der was von Ihnen! Er braucht Sie! Jeder Schlag auf den Hinterkopf ist ein Schrei um Hilfe! Darum ist er ja so aggressiv. Hören Sie ihm mal genau zu. Dass er so resigniert wirkt, liegt nur daran, dass es ihn überfordert, die Verantwortung für das Schiff allein zu tragen! Wenn er eine kompetente Person wie Sie an seiner Seite weiß, wird er sich besser fühlen. Und Sie unterstützen."
"Meinen Sie, dafür ist es zu spät?"
"Wohl eher nicht. Er braucht Sie, wenn er die nächsten anderthalb Jahre schaffen will."
"Ich muss also vor ihm auf die Knie fallen und doch noch seinen... Sie wissen schon..."
"Nein, das geht alles viel subtiler. Wie oft muss ich Ihnen das noch sagen? Füllen Sie sein Wasserglas auf, holen Sie ihm einen Kaffee und wenn ihm in der Besprechung eine Kopie fehlt, springen Sie auf und rennen zum Kopierer."
"Aber wird er mich dann nicht als blöde Sekretärin sehen und erst recht auf mir herum trampeln?"
"Probieren Sie´s aus. Dann sehen Sie, ob er bereit ist, anständig mit Ihnen zusammen zu arbeiten oder ob es schon zu spät ist."
"Männer kommunizieren über Kaffeetassen?"
"Und über Autoschlüssel, Trainingszeiten, Penislängen, Sie wissen schon. So wie Frauen über Lippenstiftfarben, Haarlängen und Höhe der Stöckelschuhe."
"Ja, klar."
"Die Make-up-Sprache kennen Sie?"
"Ich trage kein Make-up."
"Das sagt ja schon alles. Auch den Männern übrigens. Sie wollen beim Sex oben liegen."
"Haha, sehr witzig."
"Stimmt´s etwa nicht?"
"Das müssen Sie nicht wissen!"
"Nein, muss ich nicht. Aber Sie müssen wissen, dass ich es weiß."
"Ja, schon klar. Dann werde ich also demnächst dem Kapitän die Stiefel wischen?"
"In angemessener Demut. Nicht zu viel und nicht zu wenig davon. Sie wissen ja, wer Sie sind."
"Was haben die bösen Jungs denn gemacht?"
"Das Übliche!"
"Sie in den Hintern gezwickt?"
"Das soll mal einer wagen!" knurrte Luisa. "Dann kann ich ihn wenigstens erstens vermöbeln und zweitens beim Käptn melden."
"Sie dürfen leider nur entweder das eine oder das andere. Prügel bei sexueller Belästigung ist leider übertriebene Notwehr, die sollten sie im eigenen Interesse nicht melden."
"Puh, Landwehr, müssen Sie immer so verdammt korrekt und penibel sein, selbst wenn ich mich aufrege?"
"Gerade dann macht es doch Spaß."
"Sie sind genauso ein Sadist wie die anderen!"
"Wussten Sie doch schon!"
"Und wie kann man Machos wie Sie stoppen?"
"Gar nicht. Dazu macht es viel zu viel Spaß."
"So."
"Nein, mir nicht. Ihnen gegenüber jedenfalls nicht. Aber wenn da eine wirklich dumme Nuss..."
"Ach, Landwehr, Sie geben doch jedem Blondlöckchen mit pinkfarbenem Nagellack noch eine Chance und warten die erste schriftliche Prüfung ab!"
"Und die werten Kollegen auf dem Schrottschiff?"
"Natürlich nicht, wie immer!"
"Ich möchte betonen, dass Sie in Sachen Weltraummikroben durch die Prüfung gerasselt sind!"
Luisa ächzte. "Das hat sich doch längst geklärt! Das Gerät war defekt! Wäre es nach dem Gerät gegangen, wäre das ganze Schiff schon vorher verseucht gewesen!"
"Glück für Sie, aber nur ein günstiger Zufall. Haben Sie übrigens auch ein funktionierendes Gerät an Bord? Damit Sie prüfen können, ob nicht doch..."
"Landwehr, machen Sie mich nicht wuschig! Wären dort Mikroben eingedrungen, dann hätte ich schon längst Fieber!"
"Vielleicht sind Sie bereits immun oder chronisch verseucht?"
"Darum geht es doch gar nicht. Ich wollte mich über die Besprechung gestern aufregen!"
"Aber Ihnen ist schon klar, dass so ein Versehen für immer an Ihnen hängen bleiben wird?"
"Ja, ich weiß!" brüllte Luisa. "Da reißt man sich ein halbes Jahr lang den Arsch auf, um dieses Schiff zu retten und dann passt man ein Mal nicht auf, auf ein Risiko mit der Wahrscheinlichkeit von 1 zu 1 Million, und schon gilt man als fahrlässig! Aber darum geht es gar nicht. Um Fakten geht es nie. Die haben sich von Anfang an so seltsam mir gegenüber benommen. Genauso wie auf Ihrem Schiff. Und auf der Erde. Und im Rest des Universums wird es auch nie anders sein. Wenn ich die Erde lebend erreiche, schule ich um zur Grundschullehrerin oder serviere in einem Restaurant. Es bringt ja nichts, sich gegen die Klischees der Mitmenschen aufzulehnen!"
"Nun sind Sie es, die ablenkt. Was also war gestern Ihrer Meinung nach los?"
"Also, ich kam rein, da waren die Herren gemütlich stehend am Kaffeetrinken. Ich schnappte mir auch ein Tässchen und stellte mich dazu. Sie drehten sich weg und gingen woanders hin, um sich ohne mich zu unterhalten."
"Das Thema war nicht für Sie bestimmt."
"Das ist es doch nie. Außerdem ging es um das Kantinenessen. Essen betrifft mich auch."
"Ja, aber Sie wissen, dass es bei einem Gespräch ums Essen nie ums Essen geht. Vermutlich sprachen sie in verschlüsselter Weise über ihre Familien und ihr Heimweh, und das teilt man nicht mit jeder daher gelaufenen Sicherheitsingenieurin."
Luisa schnaubte. "Und so ging es weiter. Der Kapitän kam als letzter, wie sich das gehört, und sofort setzten wir uns alle brav an unsere Plätze. Sie wissen schon, der Hierarchie entsprechend."
"Und wo saßen Sie?"
"Ich versuchte natürlich, einen Platz möglichst nahe beim Käptn zu erwischen. Schließlich stehe ich im Organigramm nun auf einer Stabsstelle. Aber der Funker drängte mich mit dem Ellenbogen zur Seite. Ich hielt natürlich dagegen, aber ohne Prügelei hätte ich nicht siegen können, und das wollte ich nun auch nicht. Ich meine, mich mit dem Kerl auf dem Boden wälzen und einander die Fresse einzuschlagen während der Besprechungszeit. Das müssen wir mal in der Freizeit nachholen! Ich passe ihn bei Gelegenheit im Trainungsraum ab, den Arsch."
"Gut, das wäre also geklärt", schmunzelte Landwehr ironisch. "Ihnen ist schon klar, dass Männer untereinander etwas subtiler vorgehen? Haben Sie ihm wenigstens schonmal während der Besprechung den Apfelsaft weg getrunken und den Kugelschreiber gestohlen?"
"Jawohl, bin ja nicht von gestern. Strafe muss immer sofort erfolgen. Es ist mir auch gelungen, einen Kronkorken - hoppla - in sein Glas fallen zu lassen. Keine Ahnung, wie das passieren konnte!"
"Dann hat sich doch die Prügelei im Trainingsraum erledigt."
"Sie wissen ja, wie das mit Männern ist. Mit denen muss man Klartext sprechen."
"Nein, also, mir scheint, Sie waren bereits klar genug."
"Warum kapiert sowas dann keiner?"
"Weil er nicht will. Das nächste Mal drängt er Sie wieder mit dem Ellenbogen und vielleicht stolpern Sie dann sogar unelegant über seinen Fuß? Das ist doch wie beim Sport, da will ein Mann auf keinen Fall einer Frau unterlegen, weil ja wissenschaftliche Untersuchungen gezeigt haben, dass Frauen unsportlicher sind als Männer. Weniger Muskelmasse. Und daraus schließt der normale Macho, dass keine Frau besser sein darf als er. Sie wissen ja, unser Gehirn arbeitet nicht nur im Kopf, darum kapieren wir das mit der Statistik nicht so recht."
"Sie wissen ja prima Bescheid!"
"Hab ich von Ihnen gelernt."
"Na, jedenfalls ging es dann so weiter. Wir begannen mit dem Statusbericht, jeder reihum ein paar Sätze. Während ich dran war, ging das Wühlen in den Unterlagen los, das Einschenken von Mineralwasser und das Aufstehen und Nachschenken von Kaffee. Was ich erzähle, ist grundsätzlich mal unwichtig, weil Frauenblabla. Sogar der Kapitän hörte nicht wirklich zu, sondern machte Scherze mit dem Funker. Oder umgekehrt der Funker mit ihm. Dabei ging es um die Explosion!"
"Na, den Bericht wird er ja bereits gelesen haben."
"Stellen Sie sich nicht dümmer als Sie sind. Mit seinem Verhalten signalisierte er, das Thema sei nicht wichtig."
"Der Vorteil ist, dass er keine Fragen stellte."
"Aber hallo, hat der Fragen gestellt! Im vorwurfsvollsten Ton, so als habe ich das Ganze ausgelöst."
"Haben Sie doch auch."
"Nicht offiziell, also nicht tatsächlich. Mist, Landwehr, fallen Sie mir nicht auch noch in den Rücken! Jedenfalls habe ich das nicht auf mir sitzen lassen können."
"Sie haben sich also verteidigt?" fragte Landwehr. "Und womöglich den Kapitän beschuldigt?"
"Was sollte ich denn anderes machen??? Ich konnte das doch nicht so stehen lassen!"
"Hätten Sie mal besser getan. Spätestens jetzt wissen alle, dass sie sich von Ihnen fern halten müssen, weil der Kapitän Sie auf dem Kieker hat. Er wird Sie abschießen, und da will keiner in der Nähe sein, damit es ihn nicht auch trifft."
"Er kann mich nicht abschießen, und das weiß er auch."
"Das wird ihn vermutlich zu Tode ärgern und ihm Magengeschwüre machen. Die blöde Tussi hat es geschafft, sich unentbehrlich zu machen! Vielleicht findet er noch einen Weg, um Sie zu ersetzen. Notfalls muss er nachweisen, dass Sie fahrlässig sind. Mit den Mikroben hat er schonmal erfolgreich einen schweren Verdacht auf Sie gelenkt, Ihren winzigen Fehler zu einer tödlichen Bedrohung hoch stilisiert."
"Sie meinen, er hat das Messgerät vielleicht manipuliert?"
"Warum nicht? Sie untergraben mit Ihrem ständigen Genörgel seine Autorität."
"Aber er bringt das Schiff in Gefahr!"
"Laut Organigramm trägt er allein die Verantwortung dafür und Sie hat das nicht weiter zu kümmern. Sie mischen sich in seine Angelegenheiten ein."
"Sie meinen, ich hätte besser mit ihm Eis essen gehen sollen und ihn zum Verbündeten machen? Davon überzeugen, wie wichtig Sicherheit ist, damit er es als seine Idee ausgeben kann?"
"So ungefähr. Sie haben einen Krieg begonnen, den Sie nicht gewinnen können."
"Aber er hat mich doch von Anfang an nicht ernst genommen. Niemand hier hat mich ernst genommen! Niemand im Universum nimmt mich ernst!"
"Und wenn Sie schon so ein unwichtiger Krümel sind, warum greifen Sie dann Giganten an?"
"Weil verdammt nochmal mein Überleben davon abhängt, dass defekte Bullaugen repariert werden, bevor uns zu viel Sauerstoff unwiderbringlich verloren geht! Wir müssen noch weitere anderthalb Jahre auf diesem Schiff zubringen!"
"So ist das nunmal. Sie sind auf Gedeih und Verderb dem Kapitän ausgeliefert. Er allein trägt die Verantwortung. Sie haben das mit den Hierarchien immer noch nicht kapiert."
"Sie treiben mich in den Wahnsinn!"
"Sie hätten sich Ihr Schiff eben besser aussuchen müssen."
"Hätte, hätte...!"
"Ja, OK, nun ist es schon passiert. Es gibt nur noch eine Möglichkeit, wie Sie da raus kommen. Außer über die Haftzelle oder Gummizelle."
"Ich muss dem Kapitän den Schwanz lutschen?"
"Sinngemäß. Hören Sie, wenn die Kerle da in dieser Runde Ihnen nicht zuhören, Sie unterbrechen, attackieren und unhöflich behandeln, das passiert denen nicht aus Versehen. Die wissen genau, was sie tun. Das sind Profis. Sie haben verspielt und werden nun behandelt wie jemand, der ganz unten ist."
"Aber das war ich von Anfang an auch!"
"Sie hätten sich den Aufstieg erkämpfen müssen."
"Also doch die Prügelei im Trainingsraum?"
"Nein, subtiler! Frühzeitig anderen die Apfelsaftflasche wegnehmen oder hinschieben, je nach Ihrer Strategie. Die haben Sie ganz genau beobachtet und ihre Schlüsse aus allem gezogen, was Sie taten."
"Ich bin hier aber ganz ungerechterweise mit dem falschen Fuß aufgekommen und bin ohne eigene Schuld von einigen Alphatieren angegriffen worden."
"Schuld? Sie existieren, Sie gehen aufrecht und Sie sind hoch gebildet. Und Sie strahlen es aus, dass Sie sich nicht mit der Position der Putze zufrieden geben. Die Wortführer haben Sie sofort als Konkurrentin wahrgenommen, die haben dafür ein deutliches Gespür."
"Aber hat man denn überhaupt eine Chance, wenn man ganz neu und verletzlich ist?"
"Nee, die nutzen ihren Wissensvorsprung natürlich aus. Entweder der Kapitän setzt Sie auf eine hohe Position und unterstützt Sie beim leisesten Hauch eines Angriffs, oder Sie müssen sich von unten hoch dienen. Ganz unten anfangen, so lautet das eiserne Gesetz."
"Das liegt mir aber gar nicht!"
"Dann sind Sie falsch gepolt. Was glauben Sie denn, warum die meisten Leute nie das Schiff wechseln? Die bisher errungene Position geht sofort verloren und man beginnt wieder bei null. Hier bei uns, da waren Sie jemand. Auf diesem Zivilistendampfer sind Sie erstmal nur die Neue. Sie können Ihren Status nicht mitnehmen."
"Tja, danke, aber ich hätte das nie gekonnt. So halb wusste ich das ja, aber ich konnte doch Finja nicht erlauben, dass sie mich öffentlich demütigt."
"Zu diesem Zeitpunkt war schon alles zu spät."
"Ich war freundlich und höflich zu ihr, ganz normal, vielleicht sogar mehr als normal."
"Sie haben dabei vermutlich gewirkt wie der Wolf, der Kreide gefressen hat. Zicklein können Sie damit täuschen, aber keinen erwachsenen Wolf."
"Sie sind lustig. Klingt nicht so als hätte ich jemals eine Chance gehabt. Ich werde auf den ersten Blick als Konkurrenz identifiziert, aber meine Versuche freundlich zu sein und mich von unten hoch zu dienen bezeichnen Sie als Täuschung. Ich kann aber auch keinen Zweikampf kaum gewinnen, wenn ich neu bin und nicht gerade Kapitäns Liebling."
"Demut, Schätzchen, Demut. Sie hätten nicht gleich von Anfang an nach der Herrschaft über das Schiff greifen dürfen."
"Hab ich nicht!"
"Haben Sie wohl! Ich kenn Sie doch!"
"Und als Frau unter Männern darf ich das nicht?"
"Auch als Mann dürften Sie das nicht. Was glauben Sie denn, warum die anderen so verdammt devot sind und dem Kapitän nach dem Mund schwafeln? Warum die sich überhaupt alle so seltsam verhalten."
"Außer Ihnen. Sie verhalten sich normal."
"Schätzchen, mich dürfen Sie nicht zum Maßstab nehmen. Ich bin ein verdammt verrückter Kauz, ein Außenseiter, der nur darum geduldet wird, weil der Kapitän weiß, was er an mir hat. Was hat Ihr Kapitän denn an Ihnen?"
"Der will doch gar nichts von mir!"
"Natürlich will der was von Ihnen! Er braucht Sie! Jeder Schlag auf den Hinterkopf ist ein Schrei um Hilfe! Darum ist er ja so aggressiv. Hören Sie ihm mal genau zu. Dass er so resigniert wirkt, liegt nur daran, dass es ihn überfordert, die Verantwortung für das Schiff allein zu tragen! Wenn er eine kompetente Person wie Sie an seiner Seite weiß, wird er sich besser fühlen. Und Sie unterstützen."
"Meinen Sie, dafür ist es zu spät?"
"Wohl eher nicht. Er braucht Sie, wenn er die nächsten anderthalb Jahre schaffen will."
"Ich muss also vor ihm auf die Knie fallen und doch noch seinen... Sie wissen schon..."
"Nein, das geht alles viel subtiler. Wie oft muss ich Ihnen das noch sagen? Füllen Sie sein Wasserglas auf, holen Sie ihm einen Kaffee und wenn ihm in der Besprechung eine Kopie fehlt, springen Sie auf und rennen zum Kopierer."
"Aber wird er mich dann nicht als blöde Sekretärin sehen und erst recht auf mir herum trampeln?"
"Probieren Sie´s aus. Dann sehen Sie, ob er bereit ist, anständig mit Ihnen zusammen zu arbeiten oder ob es schon zu spät ist."
"Männer kommunizieren über Kaffeetassen?"
"Und über Autoschlüssel, Trainingszeiten, Penislängen, Sie wissen schon. So wie Frauen über Lippenstiftfarben, Haarlängen und Höhe der Stöckelschuhe."
"Ja, klar."
"Die Make-up-Sprache kennen Sie?"
"Ich trage kein Make-up."
"Das sagt ja schon alles. Auch den Männern übrigens. Sie wollen beim Sex oben liegen."
"Haha, sehr witzig."
"Stimmt´s etwa nicht?"
"Das müssen Sie nicht wissen!"
"Nein, muss ich nicht. Aber Sie müssen wissen, dass ich es weiß."
"Ja, schon klar. Dann werde ich also demnächst dem Kapitän die Stiefel wischen?"
"In angemessener Demut. Nicht zu viel und nicht zu wenig davon. Sie wissen ja, wer Sie sind."
Geschichten-Manufaktur - 11. Jun, 20:11