Sonntag, 23. September 2012

Ist der Erde der beste Ort?

"Holen Sie mich auf dem Rückweg wieder hier ab, Chef. Ich will wieder anheuern!"
Landwehr witzelte: "Wie? Schon langweilig im Las Vegas des Welltals? Eine muffige Bar an der anderen, die können Sie doch nicht schon alle durch haben!"
"Ich fühle mich einsam, ich passe nicht hierher."
"Mit einem tieferen Ausschnitt hätten Sie plötzlich ganz viele Freunde, Mädchen."
"Machen Sie keine blöden Witze, mir ist das ernst und Sie verstehen mich ganz genau."
"Ja, und ich geb Dir einen guten Rat: Man heiratet nicht nochmal den Typen, von dem man sich hat scheiden lassen. Denn beim zweiten Versuch geht es wieder aus genau denselben Gründen auseinander wie beim ersten."
"Sie sprechen wohl aus Erfahrung?"
"Zum Glück nicht meiner eigenen! Aber sowas kommt auf Raumschiffen oft vor, die Auswahl ist ja nicht so riesig. Und es geht immer gleich aus, immer. Sie waren doch so sicher, dass dieses Leben hier nichts für Sie ist."
"Aber der Mars ist noch viel schlimmer!"
"Bleibt noch die gute alte Erde!"
Luisa lachte freudlos. "Ja, die gibt´s auch noch."
"Dort ist multikulti, da findet jeder Mensch seinen Platz!"
"Mag sein. Ich werd mal sehen, welches Schiff als nächstes Richtung Erde fliegt und was für Personal die noch suchen."
"Und nicht weinen, das macht Augenringe!"
"Ich werd´s mir merken!"

Werden Menschen erwachsen?

Luisa war mal wieder vor Sonnenaufgang schon auf den Beinen, um über der Wüste die Sonne aufgehen zu sehen. Obwohl man meinen sollte, Gott sei den Menschen nur auf der Erde nahe, weil er sie dort ausgesetzt hatte, so vermeinte Luisa doch irgendetwas zu spüren, wenn sie da draußen war. Vielleicht auch nur ein Frösteln in der eisigen Luft des Morgens.
Sie musste nachdenken. Sie gab nun Sicherheitsschulungen und gab an die zivilen Siedler weiter, was das Militär sie gelehrt hatte. Und ihre ersten Kursstunden hatten sie schockiert. Da erzählte man ihr, Menschen hätten keine Wahlfreiheit, sie seien vollkommen durch ihre Kindheit geprägt, quasi wie Computer programmiert und dazu verdammt, für immer und ewig jeden Tag dasselbe Programm abzuspulen. Überhaupt würden sie nur Befehlen gehorchen und sich dauernd an Regeln halten müssen, die zwar sinnlos seien, aber an die man sich eben gewohnt habe. "Auf dem Mars?" fragte Luisa entsetzt. "Wo seid ihr jemals so frei gewesen wie im All?" Man warf ihr grinsend vor, sie solle doch mal außerhalb der mit Athmosphäre gefüllten Glaskuppeln ihren Helm abnehmen. Dann würde sie ganz schnell ihre Grenzen kennen lernen.
Und tatsächlich lebten die Menschen nach diesen von ihnen selbst als unabänderlich erkannten Regeln. Sie trugen dieselbe Turnschuhmarke wie in ihrer Jugend, pflegten genau dieselben Hobbies (Parties und Saufen, manche auch Sport oder Tanzen) und drückten sich vor allen Hausaufgaben, die ihr Chef ihnen aufgab. Darauf waren sie stolz. Sie ließen sich nichts gefallen, sie ordneten sich nicht unter. Sie wollten nicht nur ein kleines Rädchen in einer Maschine sein.
Die Sonne erschien als ein schmaler orangefarbener Rand am Horizont und beleuchtete den gegenüber liegenden Berg, einen erkalteten Vulkan.
Luisa war gerne ein Rädchen in einer gut geölten, leistungsfähigen Maschine gewesen. Sie war stolz darauf, erwachsen zu sein und Verantwortung zu tragen, sie war stolz darauf, kompetent genug zu sein, um innerhalb der Mannschaft eines Raumschiffs eine mehr als nur verantwortungsvolle Aufgabe übernehmen zu können. Wie und wie lange konnten diese Zivilisten auf diesem Planeten überleben? Doch nur so lange wie diejenigen Systeme und Personen funktionierten, die ihnen ein sorgenfreies kindliches Leben ermöglichten. Die Glaskuppeln, welche die beinahe kitschig niedlichen Puppendörfchen von der lebensfeindlichen Athmosphäres des Mars trennten, waren ein eierschalendünner Schutz einer Kinderparty vor der Welt draußen. Und Luisa fühlte sich einsam als einzige Erwachsene auf diesem Spielplatz.
Als Kind hatte sie nie gerne mit Puppen gespielt, sondern viel lieber mit den Werkzeugen der Erwachsenen: Eischnee schlagen mit dem Schneebesen, einen Nagel mit dem Hammer einschlagen und die Holzbank abschleifen für eine neue Lackierung. Sie hatte Dinge bewegt, gemacht, verändert, nicht nur benutzt. Konnte sie Vierzigjährige lehren, was Erwachsensein bedeutet? Wenn sie erwachsen sein wollten, dann wären sie es vermutlich schon vor ihrem zehnten Geburtstag gewesen.

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