Mittwoch, 25. Februar 2009

Mittwoch, 25. Februar 2009: Literaturwettbewerbe

Hinter den Kulissen eines Literaturwettbewerbs

Guten Tag miteinander, ich dachte, ich lasse Euch da draußen Teil haben an dem, was hinter den Kulissen eines Literaturwettbewerbs so passiert. Ich finde es jedenfalls hilfreich zu wissen, wenn ich selbst irgendwo einreiche. Natürlich verläuft jeder Wettbewerb anders, aber einige Gemeinsamkeiten gibt es sicherlich. Für mich ist es der zweite Wettbewerb, den ich durchführe.

Marketing: Die Ausschreibung rechtzeitig, d.h. Monate vorher, zu verbreiten, ist das Wichtigste. Wenn niemand von dem Wettbewerb erfährt, kann auch niemand teilnehmen. Natürlich ist mein Verteiler für Ausschreibungen geheim, da viel Arbeit dahinter steckt, die Adressen zu sammeln, und sie unter Datenschutz stehen. Die Ausschreibung muss die wichtigsten Informationen enthalten wie Einsendeschluss, Thema, Genre, Längen- und Formatvorgaben, Kontaktadresse. Ich persönlich halte nicht so viel von zu engen Vorgaben. Hauptsache man kann die Texte lesen. Umformatieren kann man sie dann vor der Veröffentlichung. Dabei geht es ja dann nur noch um wenige Seiten.

Zu einem Wettbewerb gibt es hunderte von Einsendungen. Die meisten zum Glück per E-Mail. Denn für den Versand an die Jury, der bei uns elektronisch erfolgte, mussten die per Post eingegangenen Beiträge auch noch abgeschrieben ("elektronisiert") werden. Von mir natürlich. Ich tippe zwar schnell, bin aber doch froh, dass ich nur 10 statt 260 Texte einzutippen hatte. Die meisten Einsendungen kamen natürlich direkt vor dem Einsendedatum herein.

Wer die Postsäcke entgegen nimmt, muss auf jeden Fall von Anfang an systematisch alles bearbeiten, dokumentieren und ablegen. Ich habe mir so beholfen, dass ich einen separaten Mailordner anlegte, in den ich alles verschob, was ich mir angesehen hatte. Wenn ich mal ein, zwei Stunden Zeit hatte, nahm ich mir die E-Mails der Reihe nach vor, las den Text und entschied, ob er in die engere Auswahl kommt. Diejenigen, für die das der Fall war, wurden in einem Dateiordner auf meinem Rechner abgelegt, wobei der Dateiname das Datum der E-Mail, den Namen des Autors und einen Teil des Titels enthielt. Um die Datei zur E-Mail rückverfolgbar zu haben. Und da ich schon dran war, erhielt der Autor/ die Autorin eine kurze Eingangsbestätigung. Oder manchmal die Bitte, mir den Beitrag in einem anderen Format zu schicken, weil ich die Datei nicht öffnen konnte.
So viele kurze Beiträge innerhalb kurzer Zeit zu lesen und abzuurteilen, war anstrengend, teilweise aber auch sehr schön. Im Zweifel wurde ein Text eher erstmal in die engere Auswahl genommen. Ich musste dann am Schluss die engere Auswahl ohnehin erneut begutachten, um die besten 30 Texte auszuwählen, die an die Jury gehen sollten.
Insgesamt sind von den Eingängen etwa ein Drittel für die engere Auswahl denkbar, wenn man nicht zu streng ist und auch Texte berücksichtigt, denen zwar eine gute Idee zugrunde liegt, die aber schlecht geschrieben sind, und Texte, die gut geschrieben sind, aber an denen etwas anderes nicht stimmt (z.B. dass sie das Thema nicht ganz treffen). Rechtschreib- und Grammatikfehler habe ich nicht berücksichtigt, weil ich die beim Lektorieren vor der Veröffentlichung ja schnell beseitigen kann. Aber die meisten Autoren, die ihre Texte mit Rechtschreibfehlern oder auch Tippfehlern spicken, haben sich auch mit der Konzeption des Textes nicht viel Mühe gegeben. Ein Drittel aller Beiträge war leider komplett unakzeptabel. Da ich ja nicht gerade wenig zu tun hatte mit der Vorauswahl, empfand ich manche Einreichung geradezu als unverschämte Zumutung. Da sucht man nach Literatur zum Thema "Brücken" und enthält den untersten Bodensatz irgendwelcher verstaubten Schubladen oder spontane Eingebungen genialer Menschen zu beliebigen Themen, die sie im Drogenrausch spontan runtergetippt und abgeschickt haben. Ein gewisses Mindestmaß an Sorgfalt beim Schreiben, finde ich, drückt Respekt sowohl vor dem eigenen Werk als auch dem Leser als auch der Konkurrenz aus. Das mittlere Drittel der Einsendungen würde im Deutschunterricht vermutlich noch eine mittelprächtige Note bekommen, aber bei einem Literaturwettbewerb gelten eben doch höhere Ansprüche.


Empfangsbestätigungen, Rücksendung von Beiträgen, individuelle Rückmeldungen: Die meisten Autoren, die an einem Wettbewerb teilnehmen, sind natürlich nervös: Ist mein Beitrag angekommen? Rechtzeitig? Konnten sie die Datei öffnen? Wie gut schneidet mein Beitrag im Vergleich zu den anderen ab? Warum habe ich nicht gewonnen? Auf der anderen Seite sieht es anders aus: Man wird innerhalb kurzer Zeit mit vielen Texten zugeworfen und kämpft sich irgendwie durch die (virtuellen, aber sprichwörtlichen) Waschkörbe durch. Rückfragen einzelner Autoren nerven, denn manche Frage lässt sich nicht spontan beantworten, sondern man müsste zwischen den vielen Daten den Beitrag eines bestimmten Autors heraussuchen. Ich gebe zu, die Namen der nervigen Nachfrager habe ich mir merken können. Das hat sich zwar nicht auf die Bewertung ausgewirkt, aber man weiß ja nie.
Die Rücksendung von postalisch eingeschickten Texten kostet natürlich nicht nur Zeit, sondern auch Geld für Papier, Umschläge und Porto. Die meisten Wettbewerbsveranstalter haben das Budget hierfür nicht.
Beim vorigen Wettbewerb habe ich mir die Arbeit gemacht, wenigstens den besten 30 und den Autoren, deren Texte beim besten Drittel waren, individuelle Rückmeldung zu geben. Schon zu wissen, dass man bei den besten 30 war, beflügelt natürlich für die Zukunft! Außerdem gab es bei einigen sehr schönen Texten ganz konkrete Gründe, warum sie den Sprung in die Endrunde nicht geschafft haben. Irgendein massiver Verstoß gegen die Regeln der Kunst, der den Besten eben nicht unterlaufen war. In diesen Fällen empfand ich das Bedürfnis, den Betreffenden konstruktive Rückmeldung zu geben. Aber das ist wie gesagt eine Zeitfrage. Einen ganzen Tag Arbeit machen diese Rückmeldungen selbst dann, wenn man effizient organisiert ist. Und diesen Tag spendiere ich ja dann von meiner Freizeit bzw. Schreibzeit.

Bewertung von Texten. Tja, was für Kriterien legt man denn fest? Was ist ein guter Text? Und welche Fehler darf der Gewinnertext gegebenenfalls noch haben? Und wie misst man die Güte eines Beitrags? Wir haben es den Jurymitgliedern überlassen, ihre Kriterien selbst zu definieren. Um zu verhindern, dass am Ende alle Texte eine mittelprächtige Note bekommen und die Entscheidung zu knapp wird, erhielt jedes Jurymitglied 10 Punkte, die auf die 31 Texte der Endauswahl verteilt werden konnten, auch mehrere Punkte pro Text. Diese Entscheidung war natürlich schwierig, aber erleichterte mir das Berechnen der Gewinner. Knapp wurde es sowieso, denn die letzten 31 waren objekt durchaus vergleichbar gut, wenn auch individuell sehr verschieden, und die letzte Entscheidung konnte eigentlich nur noch aufgrund von subjektiven Kriterien geschehen.
Kriterien für die Aufnahme in die Endrunde: Ein wichtiges Kriterium war natürlich, dass die Bedingungen aus der Ausschreibung eingehalten worden waren, d.h. das Thema musste wirklich "Brücken" sein oder zumindest irgendwo eine Brücke als Requisite vorkommen. Die Längenbeschränkung musste auch eingehalten sein, wobei natürlich ein paar Zeilen mehr einen guten Text nicht aus dem Wettbewerb werfen. Aber diese Längenbeschränkung hat natürlich praktische Gründe wie z.B. Aufwand für die Bewertung und Kosten für den späteren Druck der Gewinnerbeiträge. Ganz wichtig war mir dann, dass der Text eine originelle Idee (im Sinne von "neuartig") enthält, gut geschrieben ist und den Leser anspricht. Obwohl in der ersten Bewertungsrunde auch Texte mit in die engere Auswahl kamen, die das eine oder andere Kriterium nicht ganz erfüllten, gelangten diese dann nicht in die Endrunde der besten 31 Texte. Es gab einfach genügend bessere Einsendungen.
Für die letztliche Punktevergabe habe ich dann v.a. auf mein Bauchgefühl gehört und mich für diejenigen Texte entschieden, deren Message ich mag und die mich ganz persönlich vom Thema her berührt haben. Erzählfehler wie z.B. Perspektivenfehler oder oberflächliche Beschreibungen haben mich dann auch gestört. Die Geschichte sollte auch glaubwürdig sein und man sollte etwas über das Leben daraus lernen. Wobei ich natürlich skurile Geschichten auch glaubwürdig finden kann. :-)

Eine genaue Begründung unserer Entscheidungen werden wir natürlich nicht abgeben. Hier geht es nur darum, einen Eindruck davon zu vermitteln, wie schwierig diese Entscheidungen sind und wie leicht es passieren kann, dass man eben nicht gewinnt, obwohl man einen ordentlichen Text eingereicht hat. Vor allem möchte ich betonen, dass es überhaupt keinen Sinn macht, sondern nur anderen Leuten Zeit stiehlt, wenn man Einsendungen abschickt, die den Wettbewerbsbedingungen nicht entsprechen. Die Veranstalter haben schon ihre Gründe dafür, Bedingungen zu definieren. Und: Die Konkurrenz ist hoch. Nur sorgfältig bearbeitete und richtig gute Texte haben eine Chance. Ich schicke schon lange nichts mehr ein, von dem ich nicht restlos selbst überzeugt bin. Reine Fingerübungen können keinen Preis gewinnen.

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

Aufenthalt im Weltall...
Für alle Autoren von Science Fiction Literatur könnte...
Geschichten-Manufaktur - 31. Okt, 10:19
Ja, dürfte hier und da...
Ja, dürfte hier und da im Spam gelandet sein. Alles...
skydance - 29. Mai, 10:40
Oop, danke für die Warnung!...
Oop, danke für die Warnung! Bei mir war keine Information...
AndreaHerrmann - 29. Mai, 08:54
Hallo, das ist ein kurzes...
Hallo, das ist ein kurzes Heads-Up an die Immernoch-Blogger:...
skydance - 28. Mai, 20:36
Verbreitung schlechter...
Durch das Internet verbreiten sich Informationen, aber...
Geschichten-Manufaktur - 25. Mai, 10:24

Suche

 

Status

Online seit 6567 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 31. Okt, 10:23

Credits


Profil
Abmelden
Weblog abonnieren